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Das Büro

Das Büro

Titel: Das Büro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.J. Voskuil
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abgebrochene Äste, der Wind heulte in den Telegrafendrähten über ihren Köpfen. Das Haus von Frau Slofstra lag weit außerhalb des bebauten Gebiets, in einer kleinen Häuserreihe, dort, wo der Deich eine leichte Biegung machte. Dahinter lag das flache Polderland mit Tümpeln und Gräben, darüber hingen dunkle Wolken, die hoch über dem Haus hinwegtrieben. Drinnen hatte man das Licht angemacht, die Fenster waren beschlagen. Als sie vor der Tür standen, im Windschatten des Hauses, und darauf warteten, eingelassen zu werden, sah Maarten durch die beschlagenen Fenster auf der Fensterbank Blumengestecke stehen und dahinter, vage, menschliche Schemen. Ein Mann, ungefähr in ihrem Alter, der auch in der Kirche gewesen war, öffnete ihnen und stellte sich als Jan Dijk vor. Sie legten ihre Mäntel auf einen großen Haufen in der Ecke der Diele und folgten ihm ins Innere. Als sie eintraten, erhob sich Slofstra, der mit seiner Frau an einem Tisch mit dem Rücken zum Fenster saß, von seinem Stuhl. „Darf ich einen Moment um Ruhe bitten?“, rief er mit lauter Stimme. Der Raum war voller Menschen, die entlang der Wände aufihren Stühlen saßen und sich unterhielten. Das Stimmengewirr legte sich. „Bei den Herrschaften, die soeben hereingekommen sind, handelt es sich um die Herren Koning und Ansing von meinem Büro! Herr Koning ist mein Chef! Guten Tag, meine Herren!“ Er setzte sich wieder. Die Unterhaltungen wurden wieder aufgenommen. Maarten und Hendrik suchten sich einen Stuhl. Neben Slofstras Schwager war noch einer frei. Maarten tat so, als sähe er ihn nicht, doch der Mann war bereits halb aufgestanden und machte eine einladende Handbewegung, so dass er, um nicht unhöflich zu sein, schließlich doch neben ihm Platz nahm.
    „Es war sicher ein ziemlich langer Spaziergang“, sagte der Mann.
    „Ja.“ Er betrachtete das Tablett mit Getränken, das ihm ein Mädchen hinhielt, und nahm einen Schnaps herunter. „Danke.“
    „Ich bin Grietje Dijk“, sagte sie und wurde rot. Sie ähnelte ihrer Mutter, doch es schien, dass das Leben sie noch nicht verbittert hatte.
    „Es war sicher ein ziemlich langer Spaziergang“, wiederholte der Mann neben ihm, offenbar in der Annahme, dass Maarten ihn nicht gehört hätte.
    „Es ging“, antwortete Maarten, um einmal etwas anderes zu sagen.
    Slofstra saß, den Arm um seine Frau gelegt, auf der Lehne ihres Stuhls. Er trug eine weiße Blume im Knopfloch und sah geistesabwesend in den Raum, während sich seine Frau mit den Leuten in ihrer Nähe unterhielt. Auf dem Tisch vor ihnen standen Blumengestecke und leere Tassen. Überall wurde gesprochen.
    „Meine Frau und ich haben uns oft Sorgen um meinen Schwager gemacht“, sagte Slofstras Schwager in dem Lärm. „Er ist ein bisschen kindisch.“
    „Er ist ein feiner Kerl“, antwortete Maarten.
    „Und nach dem Tod seiner Mutter hat er eine sehr schwere Zeit durchgemacht.“
    „Davon habe ich gehört.“
    „Ja, das posaunt er überall herum“, sagte der Mann missmutig. „Er weiß absolut nicht, was er erzählen darf und was nicht.“
    „Ich finde das nett an ihm“, versicherte Maarten und sah ihn dabei kurz an.
    „Darum sind wir froh, dass er es doch noch so gut getroffen hat, mit seiner Arbeit und jetzt mit seiner Ehe.“
    Ein Mann mit einem Fotoapparat war aufgestanden. Slofstra sah es, zog seine Frau zu sich heran und wollte ihr einen Kuss geben. Doch sie stieß ihn von sich. „Lass das“, rief sie schnippisch. Es wurde gelacht. Die Aufmerksamkeit richtete sich auf das Brautpaar.
    „Ich darf dir doch wohl einen Kuss geben?“, rief Slofstra. Er versuchte erneut, sie an sich zu ziehen, doch sie hielt ihn auf Distanz. „Dann nicht“, sagte er resigniert und blickte in die Linse. Im selben Moment leuchtete das Blitzlicht auf. „Fertig!“, rief der Fotograf. „Sie will nicht geküsst werden“, erläuterte Slofstra und sah in den Raum. „Wer nicht will, der hat schon, sage ich da nur.“
     
    „Schrecklich“, sagte Maarten, als Hendrik und er wieder auf dem Deich standen. „Was für eine Ehe!“ Inzwischen war es dunkel geworden. Vor ihnen sah man in einer leichten Biegung das Licht der Straßenlaternen.
    „Ach“, sagte Hendrik, „ich fand sie ganz nett.“
    „Es ist doch klar, dass sie diesen Mann nicht liebt! Sie heiratet ihn nur, um einen Mann im Haus zu haben!“
    „Man muss sich doch nicht unbedingt lieben, um verheiratet zu sein!“
    „Warum heiratet man dann?“
    „Weil man sonst allein ist.“ Sie

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