Das Comeback
in der Wüste verschwinden lassen. Wenn sie das getan hätten, wäre es ihnen schlechter ergangen als den Branch Davidians in Waco vor ein paar Jahren. Also haben sie einen Plan gemacht. Sie wußten, daß er schon ein paar Jahre dabei war und genug wußte, um sie alle für viele Jahre hinter Schloß und Riegel zu bringen. Aber sie können ihn nicht einfach umbringen. Nicht einen Agenten. Also müssen sie ihn neutralisieren, indem sie ihm etwas an die Weste flicken. Damit es aussieht, als sei er übergelaufen und genauso kriminell wie sie. Wenn er dann gegen sie aussagt, können sie ihn mit dem Aliso-Mord als Zeugen zerstören. Wenn sie den Geschworenen einreden können, daß er einen Mord begangen hat, um seine Tarnung aufrechtzuerhalten, werden sie möglicherweise freigesprochen.«
Bosch glaubte, das Gerüst einer ziemlich glaubhaften Theorie aufgebaut zu haben, auch wenn er es auf die Schnelle hatte zusammenbasteln müssen. Die anderen im Raum schauten ihn eine Weile schweigend an, dann meldete sich Lindell zu Wort.
»Ich glaube, du überschätzt sie, Bosch«, sagte er. »Joey ist nicht so clever. Ich kenne ihn. Er ist nicht so schlau.«
»Was ist mit Torrino? Willst du mir erzählen, er könnte sich so was nicht ausdenken? Ich hab mir das alles hier auch ausgedacht. Wer weiß, wieviel Zeit er hatte. Beantworte mir eine Frage, Lindell. Wußte Joey Marks, daß Tony Aliso das Finanzamt am Hals hatte, daß eine Überprüfung der Bücher bevorstand?«
Lindell zögerte und schaute Samuels an, um zu sehen, ob er antworten konnte. Bosch merkte, wie er vor Verzweiflung in Schweiß ausbrach. Er mußte sie überzeugen, oder er würde den Raum nicht mit seiner Dienstmarke verlassen. Samuels nickte Lindell zu.
»Falls er es wußte, hat er es mir nicht gesagt«, antwortete Lindell.
»Vielleicht ist das der springende Punkt«, sagte Bosch. »Vielleicht wußte er es und hat es dir nicht gesagt. Joey wußte, daß Aliso ein Problem für ihn darstellte, und irgendwie wußte er auch, daß du ein noch größeres Problem warst. Er und Torrino steckten ihre Köpfe zusammen und dachten sich diesen Plan aus, mit dem sie zwei Fliegen mit einem Schlag erledigen konnten.«
Nach einer kurzen Pause schüttelte Samuels den Kopf.
»Es haut nicht hin, Bosch. Du schneiderst dir alles zurecht. Außerdem haben wir siebenhundert Stunden Abhörbänder. Da ist genug drauf, um Joey ins Gefängnis zu bringen, ohne daß Roy überhaupt aussagen muß.«
»Erstens wußten sie vielleicht gar nicht von der Existenz der Tonbänder«, sagte Billets. »Zweitens sind die Bänder Früchte vom verbotenen Baum. Ohne Agent Lindell gäbe es keine Bänder. Wenn Sie sie als Beweismittel vorlegen wollen, müssen Sie Lindell in den Zeugenstand rufen. Indem die Gegenseite seine Glaubhaftigkeit zerstört, zerstört sie auch die Glaubhaftigkeit der Bänder.«
Billets hatte sich merklich seinem Standpunkt genähert, und das ließ ihn hoffen. Samuels merkte, daß sich die Besprechung festgefahren hatte. Er nahm seinen Schreibblock und stand auf.
»Nun«, sagte er, »ich sehe, wir kommen nicht weiter in dieser Sache. Lieutenant, Sie schenken einem verzweifelten Mann Gehör. Wir müssen das nicht. Chief Irving, ich beneide Sie nicht. Sie haben ein Problem und müssen Maßnahmen ergreifen. Falls ich Montag sehe, daß Bosch noch seine Dienstmarke hat, werde ich gegen ihn wegen Beweismittelfälschung und Verletzung der Bürgerrechte von Agent Roy Lindell Anklage erheben lassen. Ich werde auch unsere Bürgerrechtsabteilung bitten, alle Verhaftungen zu untersuchen, die dieser Mann in den letzten fünf Jahren gemacht hat. Ein korrupter Polizist macht so was nicht nur einmal, Chief. So was wird zur Gewohnheit.«
Samuels ging um den Tisch herum zur Tür. Die anderen standen auf und folgten ihm. Bosch wollte aufspringen und ihn würgen, blieb aber äußerlich ruhig. Seine dunklen Augen folgten Samuels. Der U. S.-Staatsanwalt schaute nicht mehr zu ihm hin, aber bevor er hinausging, wandte er sich noch mit einer letzten Drohung an Irving.
»Ich habe nicht die geringste Lust, Ihre dreckige Wäsche zu waschen, Chief. Aber wenn Sie sich nicht um die Sache kümmern, lassen Sie mir keine andere Wahl.«
Die FBI-Agenten gingen hinter ihm hinaus, und die Zurückgebliebenen saßen lange schweigend da und hörten den Schritten auf dem gebohnerten Linoleum des Korridors nach. Bosch schaute Billets an und nickte.
»Danke, Lieutenant.«
»Wofür?«
»Daß Sie mich am Ende verteidigt
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