Das Comeback
verdient hatte. Er war miserabel ausgeleuchtet, und bei einigen Aufnahmen hing der Mikrofongalgen ins Bild. Dies zerstörte besonders die Atmosphäre der Wüstenszenen, wo nichts als blauer Himmel hätte sein dürfen. Der Film steckte voller Anfängerfehler. Der Amateurlook des Films wurde von erbärmlichen Schauspielleistungen komplementiert. Der männliche Hauptdarsteller, ein Schauspieler, den Bosch nie zuvor gesehen hatte, wirkte hölzern in seiner Rolle als Ehemann, der verzweifelt versuchte, seine junge Frau zu halten, die ihn durch sexuelle Verweigerung und Provokation dazu brachte, Verbrechen zu begehen – und schließlich Mord. Alles, um ihre krankhaften Gelüste zu befriedigen. Veronica Aliso spielte die Ehefrau und war nicht viel besser als ihr männlicher Partner.
Wenn die Beleuchtung stimmte, war ihre Schönheit überwältigend. In vier Szenen war sie teilweise nackt zu sehen, und Bosch verfolgte sie mit voyeuristischer Faszination. Im ganzen gesehen war es jedoch keine gute Rolle für sie, und Bosch begriff, warum ihre Karriere wie die ihres Mannes keine Fortschritte gemacht hatte. Vielleicht gab sie ihrem Mann die Schuld und war deswegen immer noch verbittert. Aber die Wahrheit war, daß sie Tausenden schöner Frauen glich, die jedes Jahr nach Hollywood kamen. Ihr Aussehen war atemberaubend, aber sie hatte nicht das geringste Talent.
In der dramatischen Schlußszene, in der ihr Mann verhaftet wurde und sie ihn der Polizei zum Fraß vorwarf, sprach sie ihre Sätze mit der Einfühlungsgabe und der Leidenschaft einer Schreibmaschine.
»Er war es. Er ist verrückt. Ich konnte ihn nicht aufhalten, bevor es zu spät war. Dann konnte ich es niemandem sagen, weil es … es hätte ausgesehen, als wäre ich die treibende Kraft bei den Morden gewesen.«
Bosch sah sich den Film bis zum Ende an, bis zum Nachspann. Dann spulte er mit Hilfe der Fernbedienung das Band wieder zurück. Er blieb auf dem Sofa, schaltete den Fernseher aus und legte seine Beine hoch. Durch die offene Schiebetür sah er, wie die Morgendämmerung die Kammlinie über den Paß rosa nachzeichnete. Er war immer noch nicht müde. Er dachte über die Entscheidungen nach, die Menschen in ihrem Leben trafen. Er fragte sich, was passiert wäre, wenn die Schauspielleistungen passabel gewesen wären und der Film einen Verleih gefunden hätte. Er fragte sich, ob das etwas geändert hätte, ob Tony Aliso dann nicht im Kofferraum geendet wäre.
Die Besprechung auf dem Revier begann erst um halb zehn. Obwohl der große Büroraum wegen des Feiertags leer war, rollten sie ihre Stühle ins Büro des Lieutenants und schlossen die Tür. Billets berichtete als erstes, daß Reporter der lokalen Medien mehr als das übliche Interesse an dem Fall zu zeigen begannen, nachdem sie anscheinend über die Tagesliste der Leichenhalle von dem Mord Wind bekommen hatten. Außerdem teilte sie mit, daß die Polizeiführung bis in die obersten Reihen überlegte, ob es nicht besser wäre, den Fall der Elite-Abteilung Raub-Mord zu geben. Bosch war natürlich sofort verstimmt. Am Anfang seiner Laufbahn war er zu RM versetzt worden. Aber wegen eines fragwürdigen Schußwaffengebrauchs im Dienst war er nach Hollywood strafversetzt worden. Deshalb ärgerte ihn der Gedanke besonders, daß er den Fall an Typen abgeben sollte, die sich für wer weiß was hielten. Falls OK sich für den Fall interessiert hätte, wäre es leichter gewesen. Bosch sagte Billets, daß er es nicht akzeptieren würde, den Fall an RM abzugeben, nachdem er und sein Team fast die ganze Nacht hindurch gearbeitet und einige interessante Spuren gefunden hatten. Rider mischte sich ein und stimmte ihm zu. Edgar, der noch immer wegen der Papierarbeit schmollte, blieb stumm. »Dein Argument ist gut«, sagte Billets. »Aber wenn wir fertig sind, muß ich Captain LeValley zu Hause anrufen und sie überzeugen, daß wir die Sache im Griff haben. Also laß uns sehen, was wir haben. Wenn ihr mich überzeugt, werde ich sie überzeugen. Sie wird denen dann im Präsidium erzählen, was wir von der Sache halten.«
Bosch berichtete in den folgenden dreißig Minuten sorgfältig die Fahndungsergebnisse der vergangenen Nacht. Der einzige Fernseher mit Videorecorder in der Abteilung wurde in Billets verschließbarem Büro aufbewahrt, weil er selbst auf dem Polizeirevier sonst nicht sicher gewesen wäre. Bosch steckte die Kassette, auf die Meachum das Band der Überwachungskamera überspielt hatte, hinein und spulte zu dem Teil
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