Das Comeback
Du bist nur etwas früher hier.«
Sie hatten die letzten Häuser der expandierenden Stadt hinter sich gelassen und sahen vor sich die schokoladenbraunen Berge aufragen. Hier und da gab es noch ein paar Siedlungsviertel. Häuser, die weit draußen gebaut wurden und darauf warteten, daß die Stadt sie einholte. Bosch war schon einmal auf dieser Straße gefahren. Auf dem Weg zum Haus eines pensionierten Cops. Die Landschaft erinnerte ihn immer noch an ein Niemandsland.
»Erzähl mir mehr über Joey Marks«, sagte Bosch. »Er will sein Geld jetzt auf die ehrliche Tour verdienen?«
»Nein, er will sich nur den Anschein geben. Das sind zweierlei Sachen. Typen wie er betreiben nie ehrliche Geschäfte. Selbst wenn er sein Image aufpoliert, bleibt er ein dreckiger Schläger.«
»Was macht er? In den Medien steht, daß die Mafia aus der Stadt vertrieben wurde, um Platz zu machen für Herrn und Frau Saubermann und ihre braven Kinder.«
»Ja, ich kenn die Sprüche. Aber es ist wahr. Vegas hat sich in den letzten zehn Jahren verändert. Als ich bei der Polizei angefangen habe, hätte man jedes Casino wegen Mafia-Beziehungen untersuchen können. Wenn es nicht das Management war, dann waren es die Lieferanten, die Gewerkschaften, was weiß ich. Jetzt ist alles sauber. Vom Sündenbabel zum Disneyland. Wir haben mehr Wasservergnügungsparks als Hurenhäuser. Die Stadt hat mir früher besser gefallen. Es hatte irgendwie mehr Biß. Weißt du, was ich meine?«
»Ja, ich weiß, was du meinst.«
»Hauptsache ist, wir haben die Mafia zu neunundneunzig Prozent aus den Casinos vertrieben. Das ist gut. Aber es gibt immer noch Schmutzränder. Das ist Joeys Territorium. Er betreibt eine Kette von teuren Clubs, meistens in North Vegas, weil dort Alkoholausschank in Striptease-Lokalen erlaubt ist. Mit dem Alkohol kann man viel Geld verdienen. Und das Geld ist schwer zu überprüfen. Wir schätzen, daß es pro Jahr ein paar Millionen an den Büchern vorbeileitet. Und das sind nur die Clubs. Das Finanzamt hat seine Bücher überprüft, aber er ist zu clever.
Außerdem ist er Miteigentümer von einigen Bordellen im Norden von hier. Er ist als Kredit-Hai und Hehler tätig und nimmt illegal Sportwetten an. Und er bekommt Schutzgelder von Callgirls und Peepshows. Er ist hier König. In die Casinos kann er nicht rein, weil er auf der schwarzen Liste der Kommission steht, aber das macht nichts. Er ist König.«
»Wie kann er Geschäfte mit illegalen Wetten machen, wo man hier in jedem Casino auf jedes Spiel, jedes Rennen setzen kann?«
»Wenn man Geld hat! Wenn nicht, wettet man bei Joey. Er schreibt an. Falls man unglücklicherweise verliert, treibt man besser schnell das Geld auf, oder man wird es bereuen. So hat er schließlich seinen Spitznamen bekommen. Und seine Angestellten führen die Firmentradition fort. So bekommt er Leute in seine Klauen. Er bringt sie dazu, Schulden bei ihm zu machen, und dann müssen sie ihn an ihrem Geschäft beteiligen. Egal, ob es eine Lackfabrik in Dayton ist oder was anderes.«
»Vielleicht die Produktion billiger Filme in L. A.«
»Ja, genau. So funktioniert das. Sie beteiligen ihn, oder sie handeln sich zwei gebrochene Knie ein – oder was Schlimmeres. Es verschwinden immer noch Leute in Vegas, Bosch. Draußen sieht man vielleicht künstliche Vulkane, Pyramiden und Piratenschiffe, aber hinter der Fassade ist Vegas immer noch finster.«
Bosch griff hinüber und drehte die Klimaanlage weiter auf. Die Sonne stieg allmählich höher, und die Wüste verwandelte sich in einen Backofen.
»Das ist noch gar nichts«, sagte Iverson. »Warte bis Mittag. Wenn wir dann noch hier draußen sind, haben wir fast fünfzig Grad.«
»Worin besteht Joeys seriöse Fassade?«
»Wie ich gesagt habe, er hat überall im Land Eigentum und Geschäftsanteile, die er erschwindelt und erpreßt hat. Außerdem investiert er seine Einnahmen wieder. Er wäscht sein Geld und steckt es in legale Unternehmen, sogar in Wohltätigkeitsvereine. Er handelt mit Autos und besitzt einen Country Club im Osten der Stadt. Ein Krankenhaus hier trägt den Namen eines seiner Kinder, das im Swimmingpool ertrunken ist. Wenn irgendwo etwas feierlich eingeweiht wird, ist sein Bild in der Zeitung, Bosch. Entweder ziehen wir ihn endlich aus dem Verkehr oder wir übergehen ihm die Schlüssel zur Stadt. Und ich bin mir nicht sicher, was die bessere Lösung ist.«
Iverson schüttelte den Kopf.
Nach ein paar Minuten schweigender Fahrt waren sie da. Iverson
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