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Das Doppelgrab in der Provence

Das Doppelgrab in der Provence

Titel: Das Doppelgrab in der Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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irgendwo?«
    Ducros kramte in seinem Schreibtisch herum, dann telefonierte er mit einer anderen Stelle im Haus und bat um Detailkarten. Baltasar hob die Hand.
    »Nicht auflegen. Fragen Sie doch, ob es auch noch ältere Karten gibt, so von vor fünfzig oder hundert Jahren.«
    Ducros gab die Frage weiter, mit Zweifel in den Mundwinkeln. Dann hängte er ein. »Sie wollen im Archiv nachsehen. Wollen Sie auch noch einen Kaffee?«
    Er verschwand und kam nach einigen Minuten mit zwei Tassen Espresso zurück.
    »Also weiter!«
    Baltasar weigerte sich. »Das geht nur mit Karten.«
    »Schönes Wetter heute«, maulte Ducros.
    »Ja, die fliegenden Fische schwitzen.«
    Beide verfielen in brütendes Schweigen. Das Telefon schrillte. Ducros nahm ab, lauschte, machte große Augen, dankte und hängte ein.
    »Der Buick«, sagte er zögernd, »gehört Grimaud. Das heißt, nicht Grimaud, sondern seinem Adjutanten. Geschäftsführer. Rechte Hand. Was Sie wollen. Jedenfalls Evaristo.«
    Baltasar widmete ihm ein mildes Lächeln, sagte aber nichts.
    Einige Minuten später kam eine ältere Sekretärin mit mancherlei Karten herein, grüßte, legte ihre Bürde auf Ducros' Schreibtisch und ging wieder.
    Baltasar befestigte die östlich angrenzenden Departements an der Wand und kam zum Schreibtisch zurück.
    »Ich will Ihre Karten nicht versauen«, sagte er, »deshalb male ich Ihnen das erst mal so auf.«
    Er deutete auf das große Dreieck im schwach erkennbaren Europa. »Hier. Belfast-Karthago-Samos-Belfast. Ein schönes, großes Dreieck. Ich nehme an, daß Maharbals Geographie gut genug war, um die Strecken als gerade Linien zu sehen, aber nicht so gut, daß er die genauen Winkel hätte messen können. Ferner glaube ich, daß er mit den damaligen Hilfsmitteln, Zahlen und so weiter die Sache absichtlich vereinfacht hat. Bedenken Sie: Winkelberechnungen mit römischen Ziffern, entsetzlich. Ich weiß nicht, welche Ziffern er verwendet hat, aber er hatte bestimmt keinen Taschenrechner zur Verfügung. Egal. Also nehmen wir an, er hält den Winkel bei Karthago für einen rechten Winkel. Kurz vor Korfu hat er, wie er schreibt, eine senkrechte Vision einer Landschaft an der Donau, im damaligen Illyrien. Wenn wir auf der Strecke Samos-Belfast einen rechten Winkel, ein Lot errichten, das den Scheitel Karthago trifft, sind wir in Belgrad. Wir haben jetzt im großen rechtwinkligen Dreieck ein kleines. Wenn wir in diesem kleinen die gleiche Prozedur vornehmen, ein Lot Richtung Belgrad errichten, haben wir einen Punkt knapp südwestlich von Korfu. Zwei Tagereisen, schreibt Maharbal, und das kann hinkommen.«
    »Nicht bei Gegenwind.«
    »Bäh. So. Aber was sollen wir im Mittelmeer? Maharbal hat sich in der Provence niedergelassen. Die Geschichte mit Pythagoras, Dreieck, Archimedes und Pi habe ich Ihnen ja schon erzählt. Wenn wir also – denken Sie an Syrakus von Süden! – die Strecke Karthago-Belfast von Süden nach Norden durch zweiundzwanzig teilen und sieben Teile abzählen, also die Strecke durch Pi dividieren, kommen wir in Cassis an Land, und den kleinen Hafen westlich von Marseille hat der Karthager ja ausdrücklich erwähnt. Also, denke ich mir, sollen wir wohl das von ihm im Mittelmeer
en gros
angedeutete Verfahren in der Provence
en détail
nachvollziehen. Die Strecke Belfast-Karthago ist eineinhalbmal so lang wie die Strecke Karthago-Samos. Der einzige andere Ort hier, den Maharbal erwähnt, ist Orange, das auf der großen Strecke liegt. Ich nehme also Orange-Cassis als Vertretung für Belfast-Karthago, messe die Entfernung, dreiunddreißig Zentimeter auf dieser Karte. Dann lege ich in Cassis einen rechten Winkel an. Wie gesagt, Orange ist Belfast, Cassis ist Karthago, diese Strecke hier, nach Samos, ist eins zu eineinhalb im Verhältnis zur großen Route, also auf dieser Karte zweiundzwanzig Zentimeter. So. Orange ist Belfast, Cassis ist Karthago, und Samos liegt nördlich von Draguignan.«
    Ducros verfolgte die Malerei mit zusammengekniffenen Brauen. »Kompliziert, was Sie da so machen«, sagte er.
    »Was ist an einem rechtwinkligen Dreieck kompliziert? Weiter. Die Senkrechte von der Hypotenuse nach Cassis beginnt in Gréoux-les-Bains, beziehungsweise daneben. Das entspricht also Belgrad. So. Das gleiche Verfahren mit dem zweiten, kleineren Dreieck. Was entspricht der Stelle zwei Tagesreisen vor Korfu? Hier, die Ecke knapp nordöstlich von Brignoles. Nun hat Maharbal geschrieben, die Drei sei dreimal heilig. Ich schätze also, wir sollen

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