Das Drachenkind (Die Drachenschwestern Trilogie) (German Edition)
willst du denn
hin?“ Sie versuchte, Miri von ihrem Tun abzuhalten.
„Lass
mich. Ich muss weg!“
„Wieso
musst du denn weg? Ich verstehe nicht, was das soll.“
Endlich
ließ Miri von dem blöden Koffer ab. Prompt klaffte der Reißverschluss wieder
auf. „Du hast Simon gehört. Meine ehemalige Wohnung ist zerstört. Ein neuer
Hassbrief ist angekommen. Ich dachte, ich hätte das alles hinter mir gelassen.
Wie es aussieht, habe ich falsch gedacht. Jetzt ist es nur eine Frage der Zeit,
bis er mich hier findet. Dann seid ihr alle in Gefahr. Das werde ich nicht
zulassen.“
„Aha.
Deshalb verschwindest du jetzt wohin genau? Den Teil habe ich wohl verpasst…“,
warf Sierra in dem leicht sarkastischen Ton ein, den sie immer dann anschlug,
wenn ihr etwas zu nahe ging. „In eine Einsiedelei womöglich? Oder die Mongolei?
Dort soll es auch praktisch keine Menschen haben…“
Maxi
funkelte sie zwar böse an, mischte sich aber nicht ein. Ihre eigene
Überzeugungsarbeit hatte nicht gefruchtet. Jetzt setzte sie ihre Hoffnungen auf
die Freundinnen und war bereit, selbst unorthodoxe Methoden zum Zug kommen zu
lassen. Auch Kaja, die sonst meist diplomatisch zu vermitteln suchte, hielt den
Mund.
Miri
wischte sich wütend die Tränen aus dem Gesicht. „Halt einfach den Mund. Im
Gegensatz zu dir ist mir nicht egal, was euch passiert.“
Sierra
fasste Miri an den Händen. „Nein, ich werde nicht den Mund halten. Und du wirst
mir zuhören. Dieser Vorfall ist beängstigend, anders kann man es nicht
ausdrücken. Er ist unschön, beängstigend und bedrohlich. Bist du hier sicher?
Im Moment ja, denke ich. Hast du hier Hilfe? Auf jeden Fall. Sehen wir so aus,
als würden wir dich in so einer Situation im Stich lassen?“
Unsicher
schüttelte Miri den Kopf. Sie starrte Sierra an, als wären dieser gerade zwei
Köpfe gewachsen.
„Siehst
du. Also kannst du das ganze Zeug wieder auspacken und dich entspannen. Ist
sicher auch besser für den W… äh, das Drachenkind.“ Kurzer Seitenblick zu Maxi.
Diese zog eine Augenbraue hoch. Natürlich hatte sie den Versprecher bemerkt.
„Kann ich dich jetzt loslassen, ohne dass dringende Fluchtgefahr herrscht?“
Miri
nickte wieder, etwas weniger zögerlich.
Sierra
ließ ihre Hände los. Sie kramte in ihrer Tasche und holte zwei Schokoriegel
heraus. „Hier. Das wird deinen Kreislauf wieder in Schwung bringen und deinen
Blutzuckerspiegel normalisieren.“
„Normalisieren
ist gut. Ich werde gleich einen Zuckerschock erleiden“, murmelte Miri.
Nichtsdestotrotz verschwanden die beiden Riegel im Nu. Kaja reichte ihr den
dampfenden Tee. „Danke. Sorry. Ich bin im Moment ein Wrack.“ Sie schniefte und
zog geräuschvoll die Nase hoch.
„Das sind
die Hormone“, versuchte Kaja sie zu beruhigen und reichte ihr ein Taschentuch.
Miri putzte sich die Nase warf ihr einen schrägen Blick zu. „Ja“, verteidigte
Kaja sie. „Die Hormone. Und vielleicht auch die Tatsache, dass dir ein Irrer
auf den Fersen ist.“
„Das
schon eher.“ Zufrieden, dass Kaja den Ernst der Situation erfasst hatte, trank
sie einen Schluck heißen Tee. „Wenigstens habe ich mich einigermaßen an diesen
Fencheltee gewöhnt.“ Sie seufzte und ließ sich auf das Kissen fallen.
Plötzlich
fiel Sierra der Grund ihres Besuches ein. „Warte mal. Ich habe was für dich.
Deshalb bin ich ursprünglich vorbei gekommen.“ Sie nestelte in ihrer
Jackentasche. „Hier.“ Sie streckte Miri ein kleines Bündel entgegen, das in
eine Serviette gewickelt war. „Die Verpackung einfach nicht beachten. Ich hatte
gerade nichts anderes zur Hand.“ Sierra wirkte verlegen.
Miri
wickelte gespannt das kleine behelfsmäßige Päckchen aus. Im Inneren befand sich
ein Schlüsselanhänger. Ein kleiner Wurm aus Samt. An seinem Rücken hatte jemand
mit groben Stichen zwei schillernde Stoffflügel angenäht.
„Ist das
süß!“, rief Miri aus. „Ein geflügelter Wurm?“
„Äh, na
ja. Der Wurm hat mich an deinen Wurm erinnert. Ich musste ihn einfach kaufen.
Doch dann ist mir eingefallen“, sie warf Maxi einen verstohlenen Blick zu,
„dass der Wurm ja eine Metamorphose zum Drachenkind durchgemacht hat. Also hab
ich ihm Flügel genäht. Allerdings gehört Nähen definitiv nicht zu meinen
Kernkompetenzen.“ Sie hob entschuldigend die Schultern.
„Ich
finde ihn allerliebst!“ Miri freute sich sichtlich. Sie streichelte dem kleinen
Stoffanhänger mit der Fingerspitze über den Kopf.
Sierra
stand auf. „Ich muss langsam los.
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