Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das dunkle Erbe

Das dunkle Erbe

Titel: Das dunkle Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
Vom Netzwerk:
Alles stand gut geschützt. In einem Wintergarten konnte man dem Wetter ein Schnippchen schlagen.
    Dann redete sie weiter. »Ich lud diesen Schatz in meinen Wagen. Dafür musste ich die Rückbank umklappen, aber in meinen Kombi passt einiges rein. Das ist praktisch, wenn ich zum Gartencenter fahre.«
    »Was war denn nun in der Grube?«, fragte Sharon.
    »Ich habe die Kisten nicht geöffnet. Wozu auch?«
    »Wie bitte?«
    »Ich wollte es nicht wissen«, gab Viktoria zurück. »Es wäre nur eine Bestätigung gewesen. Oder eine große Enttäuschung.«
    »Aber die Erinnerungsstücke an Ihren Vater …«, wandte Raupach ein.
    »Seit Eva mir erzählt hatte, was in Südfrankreich passiert war, verloren sie für mich immer mehr an Bedeutung. Ich hatte einen Mann verehrt, der das nicht wert war. Das wurde mir in den vergangenen Tagen bewusst. Was sollte ich also mit diesen … Devotionalien?«
    Photini wurde misstrauisch. »Wo brachten Sie den Schatz hin?«
    »Das würden Sie gern wissen, wie?« Viktoria verschränkte die Arme. »Ihre Leute waren gestern ja noch hier in der Straße beschäftigt. Also fuhr ich ein gutes Stück. Es musste dunkel sein, und ich brauchte Steine, um die Kisten zu beschweren. Wenn eine Frau wie ich am Rheinufer nach ein paar großen Brocken sucht, fällt das niemandem auf. Schwieriger war es, ein geeignetes … Gewässer zu finden und alles auszuladen. Dann die Steine rein, die Kisten wieder zunageln. Und über den Rand kippen.« Sie nickte gewichtig, es war eine anstrengende Arbeit gewesen. »Ich habe das Zeug versenkt. Komplett.« Mit einer nachlässigen Geste wies sie Richtung Wohnzimmer. »Die Sachen, die drinnen auf dem Tisch liegen, wären bald hinterhergewandert. Dazu kommt es jetzt nicht mehr. Es ist vorbei.«
    »Moment«, sagte Raupach. »So einfach ist das nicht.«
    »Sind Sie anderer Meinung?« Viktoria stützte ihr Kinn mit der Handfläche ab. Dabei ließ sie etwas in den Mund rollen. Die Kapsel, die sich so lange in der unscheinbaren grauen Schachtel befunden hatte. Andere Leute bewahrten dort ein Schmuckstück auf. Vielleicht einen Ring. Sie biss darauf.
    Sollte sie Wein hinterhertrinken, wie bei einer Pille? Besser, sie wartete, ob das Gift immer noch wirkte. Angeblich dauerte es nicht lang.
    Sie saß da, als würde sie nachdenken und sich all die Fragen anhören, mit denen die Polizisten sie bestürmten. Wohin sie mit dem Schatz gefahren war. Als ob das noch eine Rolle spielte.
    Es schmeckte gar nicht bitter, wunderte sie sich.
    Für welchen Notfall sich Heinrich die Kapsel wohl besorgt hatte? Nach dem Krieg war er nicht lange in Haft gewesen. Seine Tätigkeit für die Nazis war damals nicht ins Gewicht gefallen. Er war jung gewesen, hatte nicht zu den Drahtziehern gehört. Für die Instandsetzungsarbeiten an diesen Gutshöfen hatte er bestimmt keine Zwangsarbeiter eingesetzt oder Leute von ihrem Land vertrieben, in Pommern lebten ja viele Polen. Und wenn doch, war er nicht dafür verantwortlich gewesen. Wer baut, bringt doch niemanden um.
    Plötzlich blieb ihr die Luft weg. Der Kommissar sprang auf, rief etwas. Dann fielen ihr die Augen zu.
    Jemand packte ihren Kopf. Sie wehrte sich. Ein Finger in ihrem Mund. Arme, Hände, überall.
    Ihr Körper löste sich von ihr.
    Es wirkte.
     
    DIE NACHT brachte wenig Kühlung. Der erste heiße Tag des Jahres. Wüstenwind. Raupach würde sich nie an dieses Phänomen gewöhnen. Jedes Mal hatte er das Gefühl, als setzte sich der Geist eines Riesen auf seine Brust.
    Der Notarzt konnte nichts mehr machen. Herzstillstand. Zyankali in dieser Menge, mindestens zweihundert Milligramm, die Reanimationsversuche waren aussichtslos.
    Genauso aussichtslos war es, diesen Schatz zu suchen. Natürlich würden sie die vielversprechendsten Stellen abklappern, an den Häfen, unter den Brücken. Herumfragen, ob jemand Viktoria Brehms anthrazitfarbenen Kombi dort gesehen hatte. Gegebenenfalls Taucher einsetzen. Vielleicht waren die Kisten nicht schwer genug gewesen, um zu versinken, oder sie waren zu Bruch gegangen. Sie würden alle Möglichkeiten ausschöpfen.
    Die Frau hatte ihnen vieles erzählt. Es war überzeugend, nichts sprach gegen ihre Schilderung. Hornung schien Sophie Schwan beseitigt zu haben, weil ihre Aussage ihn belastet hätte. Und Gesa Simons Tod sollte eine Verbrechensserie aus Leidenschaft vortäuschen – vielleicht waren tatsächlich starke Gefühle im Spiel gewesen, überlagert von der unbändigen Gier nach dem Schatz. Dennoch blieben die

Weitere Kostenlose Bücher