Das dunkle Labyrinth: Roman
habe. In seiner gegenwärtigen Form darf das Urteil unmöglich bestehen bleiben. Das muss ihm unverzüglich zur Kenntnis gebracht werden.«
Der Butler zögerte. Sein Blick wurde sehr ernst, dann entschloss er sich zu gehorchen.
Fünf Minuten später erschien Rathbone in einem Abendanzug von vollendeter Eleganz. »Was ist los?«, fragte er und zog hinter sich die Tür zum festlich erleuchteten Speisezimmer zu, sodass die Stimmen, das Lachen und Gläserklirren mit einem Schlag erstarben. »Ich bin mitten in einem Festmahl und habe Gäste. Sie können sich gerne zu uns setzen, wenn Sie möchten. Sie haben weiß Gott mehr geleistet als jeder andere, um diesen Sieg zustande zu bringen.«
Monk holte tief Luft. »Es ist kein Sieg, Rathbone. Erinnern Sie sich an Sixsmith’ Beschreibung des Mörders, als er die Geldübergabe schilderte?«
Rathbone runzelte die Stirn. »Natürlich. Was ist damit?«
»Erinnern Sie sich auch an Mrs. Ewarts Beschreibung, als sie ihn zwei Tage danach aus der Remise kommen sah, nachdem er Havilland erschossen hatte?«
»Ja. Das ist ganz offensichtlich ein und derselbe Mann. Es ist ausgeschlossen, dass zwei Menschen sich so gleichen.« Rathbone war verwirrt und nahe daran, die Geduld zu verlieren.
Monk sagte nur: »Das Haar.« Und nach einer Pause fügte er hinzu: »Ich habe ihn gesehen, als er tot war. Das Haar hing ihm weit über den Kragen. So hat ihn auch Sixsmith gesehen, und exakt so hat er ihn im Zeugenstand beschrieben.«
Rathbone errötete. »Wollen Sie damit sagen, dass er ihm das Geld nicht übergeben hat? Was …?« Seine Augen weiteten sich. Plötzlich begriff er, und jede Farbe wich aus seinem Gesicht. »Sixsmith hat ihn erschossen! Gott im Himmel! Er war von Anfang an schuldig! Wir haben ihn rausgeholt! Ich habe ihn rausgeholt!«
»In der Mordsache Havilland, ja, aber nicht bei einem Prozess wegen der Ermordung des Handlangers«, sagte Monk ruhig.
Rathbone starrte ihn an. Allmählich begriff er.
In diesem Moment wurde an die Tür geklopft.
Rathbone drehte sich langsam um. »Herein.«
Es war Margaret. Sie warf Rathbone und Monk einen fragenden Blick zu. Sie trug ein extravagantes Seidenkleid und dazu passende Perlen an den Ohren und um den Hals. Aber nichts vermochte die Herzlichkeit auszustechen, die aus ihrem Gesicht sprach.
Rathbone ging sofort zu ihr hinüber und berührte sie zärtlich am Arm. »Wir haben uns getäuscht«, erklärte er ihr ohne Umschweife. »Monk hat mich soeben darauf aufmerksam gemacht, dass Sixsmith den Mörder erschossen haben muss, und – was noch wichtiger ist – dass wir den Falschen beschuldigt haben. Um diesen zu rehabilitieren, müssen wir nun zumindest Sixsmith’ Schuld am Tod des Mörders beweisen und ihn wenn möglich hinter Schloss und Riegel bringen.«
Margaret wandte sich zu Monk um, versuchte, in seiner Miene abzulesen, ob das tatsächlich zutreffen konnte. Ein Blick genügte, um ihr Gewissheit zu verschaffen. »Dann müssen wir es tun«, sagte sie leise. »Aber wie? Der Prozess ist abgeschlossen. Könnte es denn genügen, das Protokoll von Sixsmith’ Aussage jemand anderem vorzulegen?«
»Nein«, antwortete Monk entschieden. »Wir müssen die Zusammenhänge lückenlos beweisen. Und aus ihnen muss hervorgehen, dass er den Mann von Anfang an kannte.« Er sah ihr bereits an, dass sie nicht verstanden hatte, und erklärte es genauer. »Wenn wir Sixsmith jetzt auf der Grundlage seiner Beschreibung des Mörders anklagen, könnte er behaupten, er hätte es so von Argyll oder sonst jemandem gehört. Und dann könnte er uns wieder durch die Maschen schlüpfen.« Er bedachte sie mit einem düsteren Lächeln. »Diesmal müssen wir es richtig machen.«
»Ich verstehe.« Margaret war keine der Frauen, nach der man sich umdrehte. Ihre Reize hatten vielmehr etwas sehr Persönliches, und in diesem Moment leuchtete in ihrem Gesicht echte Schönheit auf, als sie sich wieder zu Rathbone umdrehte. »Dann feiern wir eben später, wenn wir es richtig gemacht haben«, entschied sie gelassen. »Ich werde Mutter und Vater sagen, dass wir das Essen noch genießen können und dann heimgehen. Bitte unternimm alles, was nötig ist. Das kann nicht warten. Wie viel Zeit es auch erfordert, wie schwer es auch sein mag, es muss erreicht werden, bevor Argyll vor Gericht gestellt wird. Am Ende wird er noch wegen James Havillands Tod gehängt. Vielleicht schiebt man ihm auch noch den von Mary in die Schuhe, obwohl ich annehme, dass man ihn auch Toby zur Last
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