Das dunkle Universum 3 - Im Sog der Zeit
Lillylight-Restaurant servierte. Abgerundet wurde das Ganze mit einer Auswahl an Weinen von Gütern, die Edeard noch nicht einmal dem Namen nach kannte.
Drei Mädchen gingen mit Flaschen umher und füllten die Kristallkelche der Männer nach. Sie trugen lange, durchsichtige Röcke und einfache Wildlederslipper; sonst nichts. Edeard starrte sie an und fühlte sich ein wenig schuldig, so als hätte er sich heimlich in ihre Schlafzimmer geschlichen. Herrin, du dämliches Landei. Was hast du gedacht, was Mädchen an einem solchen Ort tragen? Und dann sah er sie sich wirklich an und erkannte unter ihnen die beiden Mädchen wieder, die Ivarls an diesem Morgen ins Gericht begleitet hatten. Das dritte jedoch …
Unwillkürlich entfuhr Edeards Kehle ein leises Stöhnen. Glücklicherweise hörten ihn die ins Gespräch vertieften Männer nicht. Das dritte Mädchen war Nanitte, die Tänzerin, die Macsen an dem Abend vor dem Hinterhalt am Birmingham Pool mit in seine Maisonettewohnung gebracht hatte. Nun, das war wirklich erschreckend. Offensichtlich operierte Ivarl auf einem Level, das sich Edeard bisher gänzlich entzogen hatte. Im Grunde genommen war dieses Zimmer für den Bandenmeister genau der richtige Rahmen. Er war klug, raffiniert und wohlhabend. Und er nahm unbemerkt Einfluss – in einem Ausmaß, das Edeard sich nicht vorzustellen vermochte.
Er war in der Hoffnung hierhergekommen, die eine oder andere verfängliche Unterhaltung mitanhören zu können. Jetzt wusste er, dass Ivarl sich durch ein paar gut geplante Verhaftungen und Razzien schwerlich würde ausschalten lassen. Wenn das sein Ziel war, wenn er Ivarl wirklich aus dem Verkehr ziehen und die Banden zerschlagen wollte, dann würde er seine Anstrengungen um ein Vielfaches erhöhen müssen. Er würde rausfinden müssen, wie Ivarl tickte, wo seine Interessen lagen, wer seine Freunde waren. Edeard nahm an, dass der Bandenbaron es wohl kaum so weit gebracht hätte, wenn er nicht Hilfe aus den Reihen des Stadtestablishments gehabt hätte. Ein wirklich deprimierender Gedanke.
Eins nach dem anderen.
Er verstärkte seine Tarnung und ließ sich auf dem Boden nieder, um zu lauschen.
Es schneite am Tag nach Neujahr. Große, federleichte Flocken schwebten aus einem grauen Himmel herab und dämpften die Geräusche der Stadt. In aller Frühe nahm Edeard ein Bad und verputzte anschließend ein ordentliches Frühstück, bestehend aus Rührei mit gegrilltem Schinken sowie einigen Scheiben Blutwurst, die er zusammen mit seinen Pilzen in die Pfanne geworfen hatte. Er war sich ziemlich sicher, dass er heute nichts zu Mittag bekommen würde. Beim Anziehen achtete er sorgfältig darauf, dass seine neue, verstärkte Dro-Seidenweste ordnungsgemäß geschlossen war, und schlüpfte obendrein noch in ein Paar droseidene Unterziehhosen. Es war gut möglich, dass die Bandenmitglieder bei der Razzia ernsthaften Widerstand leisteten, und er wusste, dass mehr als die Hälfte von ihnen mit Pistolen bewaffnet war.
Er trat auf den Laufgang hinaus, um seinen Becher Tee auszutrinken, und schaute hinab auf das Becken in dem zentralen, ovalen Hof. Lautlos versanken die Schneeflocken in der unbewegten Fläche, von der in Fäden feiner Dampf aufstieg. Das Wasser war zu warm, um zu gefrieren, doch nicht warm genug für irgendeines der Kinder, um darin zu schwimmen. Kurz hatte Edeard erwogen, die Beckentemperatur zu erhöhen, so wie er es in seiner eigenen Maisonette gemacht hatte, doch dann hatte wieder mal die Angst davor gesiegt, dass er dadurch nur die Aufmerksamkeit auf seine Fähigkeiten lenkte.
Boyd und Dinlay kamen den Laufgang entlang, die Wangen gerötet von der eiskalten Luft. Wie immer war Dinlay makellos gekleidet, inklusive eines vorschriftsmäßigen knielangen Mantels in exakt derselben Farbe wie sein Uniformrock, selbst die silbernen Knöpfe waren von gleicher Größe und Form. Boyd hatte sich für einen braunen Wintermantel aus Leder entschieden, der ein warmes Innenfutter besaß. Edeard war so begeistert von dem Mantel gewesen, dass er sich sofort zu dem betreffenden Geschäft im Cobara-Distrikt aufgemacht hatte, um sich auch einen zu holen.
»Alles klar?«, fragte Dinlay nervös. Seit er vor zwei Monaten wieder zu seinen Pflichten zurückgekehrt war, hatte er hart gearbeitet, um sich vor seinen Truppkameraden zu beweisen. Zu eifrig, keine Frage. Doch sie alle hatten die Zähne zusammengebissen und abgewartet, bis sein manischer Arbeitskoller wieder vorbei war.
Edeard
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