Das Echo der Flüsterer
Vogel ist vor mir geflüchtet. Wollte nur nachsehen, ob er da unten irgendwo ein Nest hat.«
»Und weshalb hast du dabei einen solchen Lärm veranstaltet?«
»In der Nische, in der sich der Vogel versteckt hatte, stand so eine Art Flasche. Ich dachte, die Brut sei darin, was sich aber als Irrtum herausstellte. Als ich den Behälter zurückstellen wollte, ist er mir aus der Hand gerutscht und am Boden in tausend Scherben zersprungen.«
»Du scheinst nicht nur diebisch veranlagt, sondern auch noch zerstörungswütig zu sein.«
»Es war ein Unfall!«
»Aber sicher. Genau wie der, durch den du uns ins Land der Bonkas entwischt bist, vermute ich.«
Jonas riss die Augen auf. »Heißt das…?«
Kanthelm grinste hinterhältig. »Ganz recht. Wir haben dafür gesorgt, dass deine Freunde im Flugzeug nicht zu den weichherzigen Bonkas fanden. Es wäre doch zu traurig gewesen, wenn sie im letzten Augenblick noch unsere Pläne durchkreuzt hätten.«
Jonas wusste nicht, ob er dem hässlichen Malkit vor Wut ins Gesicht springen oder sich freuen sollte. Er hatte schon befürchtet, Dr. Gould und Frank Holloway seien in der Spiegelregion ums Leben gekommen. Aber konnte man von Glück sprechen, wenn sie sich nun in den Klauen dieses Mannes befanden?
Ein beunruhigender Gedanke schoss Jonas durch den Kopf. Was hatte Kanthelm mit ihm vor? Natürlich, er wollte Keldins Spiegel haben, aber was dann? Mit Grauen dachte er an das Loch in der Wand und an den gähnenden Abgrund darunter.
»Genug der Plauderei«, sagte Kanthelm leichthin. »Es wird nun Zeit, dass du mir den Spiegel gibst.«
»Warum hast du ihn dir nicht längst genommen?« Jonas musste Zeit gewinnen.
»Ich hatte gehofft Darina hier zu treffen.«
»So viel liegt dir an ihr?« Jonas gab den Plan auf, die Treppe nach unten zu erreichen. Kanthelm musste nur einen Schritt machen, um ihm den Weg zu verstellen.
»Eigentlich nicht. Nenne es Neugierde, wenn du willst.«
Aus den Augenwinkeln heraus sah Jonas zur anderen Treppe. Sie führte auf das Dach des Turmes.
»Du solltest nicht einmal daran denken«, sagte Kanthelm. In seiner Stimme lag ein drohender Unterton. »Leg den Spiegel auf den Boden und tritt zur Seite.«
Lieber wollte Jonas ihn in die Tiefe schleudern, als ihn Kanthelm zu überlassen. Er schätzte die Entfernung bis zu dem dreieckigen Spalt. Da erblickte er plötzlich wieder den kleinen Vogel.
Es war tatsächlich der Papagei aus der Spiegelregion, jedenfalls sah er genauso aus wie dieser. Er hing kopfunter vom Rand der Maueröffnung und schien interessiert die dramatische Vorstellung im Turmgemach zu verfolgen.
»Gib dir keine Mühe«, knurrte Kanthelm, dem Jonas’ starrer Blick nicht entgangen war. »Das ist der älteste Trick – nicht nur in deiner Welt.«
Die Worte des Malkits konnten Jonas nur kurz dazu bewegen, ihn anzusehen. Dann musste er erneut den Vogel betrachten. Der Papagei wirkte mit einem Mal sehr nervös, beinahe so, als könne er sich nicht recht entscheiden, einen folgenschweren Entschluss auch in die Tat umzusetzen. Jonas lächelte dem Vogel zu und schnalzte zwei-, dreimal leise mit der Zunge.
»Ich sage es nur noch einmal: Leg ihn hin und geh zur Seite.« Kanthelms Hand ließ sich auf seinem Schwertknauf nieder.
In diesem Moment flatterte der Vogel auf. Er flog direkt auf den Kopf des Malkits zu. Bevor dieser noch den kleinen Angreifer bemerkt hatte, zwickte der ihm auch schon ins Ohr. Völlig überrascht schlug Kanthelm um sich, aber der Papagei war bereits wieder verschwunden.
Und Jonas ebenso. Mit vier schnellen Sätzen war er bei der Treppe. Während er die Stufen emporeilte, hörte er hinter sich Kanthelm aufschreien. Ein Laut purer Wut. Der Papagei war noch ein zweites Mal auf sein Ohr losgegangen. Erst dann fasste sich Kanthelm und begriff, dass seine Beute drauf und dran war, ihm zu entwischen. Mit einem Schrei stürzte er Jonas hinterher.
Der hatte inzwischen das Dach des Bergfriedes erreicht und sah sich Hilfe suchend um. Das Fundament des runden Turmes reichte von der steil abfallenden Klippenwand bis hinüber zu dem unheimlichen schwarzen Schlund. An der Talseite existierte keine Brüstung mehr. Sogar ein Stück vom Boden war dort abgebrochen. Jonas entschied sich also für die gegenüberliegende Seite des Daches. Von dort konnte er tief in das Loch hinabblicken, das Talinka dem Werk eines machtvollen Wesens zugeschrieben hatte. Aber für weitere Nachforschungen blieb Jonas keine Zeit. Schon hörte er Kanthelm wie einen
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