Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
hatte Goldan vor dem Verlassen der Höhle gebeten einige ganz bestimmte Flüsterer davon in Kenntnis zu setzen, dass ihre Anwesenheit im Kristallrat dringend erforderlich sei.
    Krem dirigierte mit knappen Anweisungen und spärlichen Gesten eine kleine Schar von Bediensteten, die für die nötigen Sitzgelegenheiten sorgte. Danach wurden Getränke und einige leichte Speisen aufgetragen.
    Als alle Geladenen anwesend waren, eröffnete Belkan die Sitzung des Rats. Er schilderte noch einmal die dramatischen Ereignisse der vergangenen Nacht: erst das Erscheinen des Wanderers Jonas und dann das Erwachen der Wissenden Darina. Jonas wunderte sich erneut über den Hang der Bonkas zu ausführlicher Berichterstattung. Fast fürchtete er, Belkan würde nie auf den Punkt kommen.
    »Wir sind uns alle darüber im Klaren, dass diese Runde schon vor vier Jahren hätte zusammentreten müssen«, kam der Oberälteste endlich zum eigentlichen Grund für die außerordentliche Ratssitzung. »Deshalb möchte ich nun dir, ehrenwerte Darina, das Wort erteilen. Weshalb hat der Kristall dich zu uns gesandt?«
    Darina lächelte in die Runde, die mit Ausnahme von Syrda und ihr selbst ausschließlich aus Männern bestand. Jonas bewunderte ihre Sicherheit. Als sie die Stimme erhob, sprach sie warmherzig und zugleich würdevoll.
    »Ehrenwerter Rat, liebe Syrda, Brüder«, ihre Mundwinkel zuckten amüsiert, als sie sich dem Raben auf Jonas’ Stuhllehne zuwandte, »und Korax Korbinian Kraark. Wie wir alle wissen, nehmen Bonkas wie Malkits regen Anteil am Geschehen auf der Erde. Wir alle sind letztendlich Kinder des Kristalls und damit Abbilder der Menschenwelt. Das Kleine Volk hat auch schon früh damit begonnen, die Menschen auf ihrem Wege zu begleiten. So wie unter einer Lupe ein Bild vergrößert erscheinen mag, besitzen wir manche Fähigkeiten der Menschen in einem stärkeren Maße. Das hat dazu geführt, dass wir ihnen hier und da in Kunst, Handwerk und Technik oder auch auf anderen Gebieten helfen konnten, schnellere Fortschritte zu machen. Und da wir alles, was wir den Menschen geben, früher oder später vom Kristall zurückempfangen, beeinflussen wir durch unser Wirken in Wahrheit auch uns selbst.«
    »Du sprichst vom Echo«, merkte Belkan an. »Das alles ist uns bestens bekannt, Darina.«
    »Ich habe es noch einmal für Jonas wiederholt. Er kennt unsere Welt ja erst seit gestern.«
    »Entschuldige bitte meine Unterbrechung.«
    »Deine Sorge ist der Schlüssel für deine Ungeduld, Belkan«, erwiderte Darina freundlich. »Du hast Recht: Ich sprach vom Echo der Flüsterer. Hin und wieder raunen die Flüsterer auch im Chor. Dann vereint sich die Macht ihres Flüsterns und das Echo kann nicht nur ein Abbild der irdischen Welt nach Azon werfen, sondern tatsächlich Menschen in Fleisch und Blut zu uns bringen. Wir Bonkas müssen allerdings ziemlich verzweifelt sein, wenn wir zu diesem Mittel Zuflucht nehmen – oder im Falle der Malkits, ausgesprochen durchtrieben.«
    »Das Bermudadreieck!«, hauchte Jonas. Schlagartig wurde ihm einiges klar.
    Darina warf ihm einen kurzen Seitenblick zu und lächelte. »Die Menschen pflegen ihre Überlieferungen und Sagen mit der gleichen Leidenschaft wie wir. Die Legende vom Bermudadreieck, in dem Schiffe und Flugzeuge samt ihren Besatzungen verschwinden, ist, wie wir alle wissen, nichts weiter als die Geschichte der Hilferufe der Bonkas an die Menschheit – manchmal leider auch die des boshaften Treibens der Malkits, die unter den Menschenkindern willige Komplizen für ihre üblen Pläne suchen. Vor kurzem hat der Rat sich wieder einmal dazu durchgerungen, von den Menschen Unterstützung zu erbeten – sagt es mir, wenn ich irgendetwas nicht ganz richtig wiedergebe.«
    »Du bist die Wissende«, antwortete Syrda mit geheimnisvollem Lächeln. »Eine Unterbrechung ist ganz und gar unnötig.« Einige der anderen Ältesten stimmten ihr leise zu.
    Darina nickte wie zur Bestätigung. »Ich habe vor unserem Treffen schon mit einigen der Flüsterer gesprochen, die nun auch hier bei uns sind. Sie halfen mir, einiges von dem, was ich euch nun berichten will, besser zu verstehen. Als die Spiegelregion mich entließ, schrieben die Menschen das Jahr 1958. Es gab zahlreiche Orte auf der Erde, an denen sich die Menschen miteinander stritten. Man sprach sogar von einem ›Kalten Krieg‹ zwischen den Ländern, die von den Menschen ›Sowjetunion‹ und › V ereinigte Staaten von Amerika‹ genannt werden. Nennen wir die beiden

Weitere Kostenlose Bücher