Das Echo der Flüsterer
die Tiefe gerissen zu werden. Die übrigen Gefährten begannen nun einer nach dem anderen aus der Wand aufzutauchen.
»Kraark!«, schrie Jonas schreckensbleich. »Flieg den anderen entgegen und versuche die Schelpins zur Seite abzudrängen.«
Der schwarze Vogel erhob sich in die Lüfte und flatterte zu der Stelle, an der sich Bonkas und Schelpins materialisierten. Inzwischen waren Sam Chalk und Ximon durch das Tor gesprungen und dank der lautstarken Warnungen kurz vor dem Abgrund zum Stehen gekommen. Ein Packtier hatte nicht so viel Glück. Völlig verängstigt galoppierte es auf Bergalf zu. Der Fährtensucher schrie und wedelte mit den Armen, aber das Schelpin schien ihn überhaupt nicht wahrzunehmen.
Das Unvermeidliche ahnend, riss Jonas die Augen auf. »Bergalf, pass auf!«, schrie er entsetzt. Auch ohne diese Warnung hatte der stämmige Bonka die Gefahr längst erkannt. Als das Tier ganz dicht vor ihm war, stieß es, anstatt auszuweichen und so vielleicht doch noch dem sicheren Tod zu entgehen, mit den Hörnern nach dem kleinen Mann. Geschmeidig wie eine Katze sprang Bergalf zur Seite. Das Schelpin trat ins Leere und stürzte über den Rand des Abgrunds.
Ein kalter Schauer rann über Jonas’ Rücken, als er den leise verklingenden Todesschrei des Tieres hörte. Dann erschütterte ein gewaltiges Krachen die Szene.
Der Kopf des Jungen flog herum zu dem Facettentor, aus dem Geröll, Staub und glitzernde Kristallbrocken schossen. Die Bruchstücke pfiffen wie Granatsplitter durch die Luft. Ein Wunder, dass keiner der Gefährten ernstlich verletzt wurde. Der Gorrmack musste aus vollem Lauf gegen das Tor geprallt sein, das offenbar zu klein war, um ihn hindurchzulassen.
Jonas war unwillkürlich aufgesprungen, um sich vor den umherfliegenden Steinen in Sicherheit zu bringen. Jetzt humpelte er langsam auf die Stelle zu, wo sich gerade eben noch das Facettentor befunden hatte. Fassungslos starrte er auf einen riesigen Trümmerhaufen, über den Gesteinsbrocken nach unten kullerten. Was für ein schreckliches Ungeheuer! Alles war so rasend schnell gegangen! Zum ersten Mal fragte er sich, wie er jemals zurückkehren sollte. Dieser Gorrmack – was immer er war – würde bestimmt noch hinter dem Schutthügel auf sie lauern. Die Farbenstadt erschien ihm in diesem Moment so fern wie der Mond. Und Muddy Creek, die Farm seines Großvaters – sie kam ihm wie ein langsam verblassender Traum vor. Nur die Erinnerung an seine Eltern war intensiv wie nie zuvor…
Gedankenverloren bückte er sich nach einem blauen durchsichtigen Stein, der aus dem grauen Geröll hervorblitzte. Es handelte sich um eine flache Scherbe, die entfernt an die Schuppe eines großen Fisches erinnerte.
»Der Gorrmack hat Federn lassen müssen.«
Die Stimme an seiner Seite stammte von Bergalf. Der Bonka lächelte ihm so unbekümmert zu wie ein Junge nach dem Kirschenstehlen in Nachbars Garten.
Jonas steckte die Trophäe in die Hosentasche, während seine Augen an Bergalf vorbei den Staub zu durchdringen suchten. Kopfschüttelnd murmelte er: »Was war das nur? Ein Tier aus Kristall? So groß wie ein Berg? Ich kann es immer noch nicht begreifen…«
»Später, Jonas«, unterbrach ihn der Fährtensucher und wandte sich zu Darina hin. »Sind alle da?«, rief er hinüber.
»Ich kann es noch nicht sagen. Ihr kommt am besten alle zu mir. Dann können wir feststellen, ob jemand fehlt.«
Jonas ließ Kraark auf seiner Schulter Platz nehmen und begab sich mit Bergalf zu den anderen. Sein rechtes Bein schmerzte stark. Er musste sich bei dem Sturz vom Schelpin verletzt haben.
Als der staubige Haufen um Darina versammelt war, wurden sorgenvolle Blicke getauscht. Eine schlimme Erkenntnis machte sich breit.
»Tamakh fehlt!«, hauchte Lischka. Entsetzen lag in den Augen des stämmigen Bonka.
»Hat ihn irgendjemand gesehen?«, fragte Ximon besorgt.
»Er hatte sich zurückfallen lassen«, antwortete Mangaar tief zerknirscht. »Bei einem Schelpin war das Gepäck verrutscht. Er wollte dem Tier unbedingt helfen. Ich hätte den kleinen Burschen einfach bewusstlos schlagen und ihn mir über die Schulter werfen sollen.«
»Wir sind ja alle um unser Leben geritten«, versuchte Jonas den niedergeschlagenen Fährtensucher zu trösten. Auch die anderen traten nun zu ihm. Darina strich mit der Handfläche über Mangaars Wange und schenkte ihm ein trauriges Lächeln.
»Wenn von uns jemand Grund hat sich Vorwürfe zu machen, dann bin ich das, Mangaar. Ich trage die
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