Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge
keinen Gerichtsbeschluss.«
»Wozu sollte ich mir denn Zugang verschaffen?«
David bestrich seinen Toast mit Pflaumenmus. »Ich bin überzeugt, in dem Haus befinden sich Dinge, die dir helfen werden, die Frage zu beantworten: Ist dein Mann noch am Leben?«
Ich betrachtete den verschleierten Himmel vor dem Fenster. »Sollte Pascal geflohen sein, hat er bestimmt alles vernichtet, womit man ihm das nachweisen kann. Andererseits …« Ich schmunzelte. »Ich könnte mich ja mal umsehen.«
»Du weißt also, wie man reinkommt?«
»Schon möglich.«
»Hast du einen Schlüssel?«
»Das nicht, aber ich habe eine Ahnung, wo er liegen könnte.«
»Wo?«
Ich musste lachen, weil er schon wieder übergriffig wurde. »Wozu die Eile? Lass uns erst mal frühstücken.«
»Entschuldige.« Er grinste zurück. »Manchmal solltest du mich wirklich bremsen.«
Ich strich kurz über seine Hand. »Ich werde den Teufel tun, einen guten Geist wie dich zu bremsen.«
»Du kannst jederzeit in die Villa! Das ist ja großartig.« Er biss genussvoll ab. »Es wird dir mit Sicherheit weiterhelfen, und deinem Anwalt natürlich auch.«
»Noch ist er nicht mein Anwalt.« Ich nahm eine Traube.
»Dr. Hollmann wäre bestimmt gut für dich. Er ist ein richtiger Fuchs.«
»Ich möchte, dass die Angelegenheit rechtmäßig abläuft – wozu brauche ich dafür einen Fuchs?«
»Das Feld, auf das du dich begibst, ist Wirtschaftskriminalität. Glaub mir, niemand kämpft dort mit fairen Bandagen.«
»Willst du mir Angst machen?«
»Ich möchte nur nicht, dass du blauäugig in diese Sache hineinläufst.«
David hatte sicher recht und ich im Grunde keine Ahnung.
»Und jetzt möchte ich duschen.«
Er zeigte mir das Bad neben meinem Zimmer und legte ein Handtuch bereit. Ich schloss die Tür und begann mich auszuziehen.
1 3
Tagsüber hatte ich, unvernünftig bei Jetlag, ein paar Stunden geschlafen. David war fort gewesen und am späten Nachmittag mit zwei Thaisuppen zurückgekommen. Wir hatten gegessen, der Abend lag vor uns. Nun bereute ich es doch ein wenig, nicht im Hotel zu wohnen. Er war geschieden, ich eine Frau, der im Moment so ziemlich auf jedem Gebiet der Boden unter den Füßen weggezogen worden war. Ich hatte keine Angst, bei ihm schwach zu werden, und er machte nicht den Anschein, als ob er es darauf anlegte, doch was würde geschehen, wenn der Abend gemütlich wurde, die Chemie zwischen uns stimmte, wenn wir die Flasche Wein, die er aufmachte, geleert haben würden?
»Worauf lässt sich am besten trinken?«, fragte ich.
»Dass Pascal noch lebt?« Er hielt sein Glas hoch.
Ich stieß an. Mich durchfuhr keine Freude bei dem Gedanken, ich hatte Angst vor dem, was vor mir lag. Angst gibt es nur vor dem Unbekannten, dachte ich, du musst der Angst zuvorkommen. Eigentlich hatte ich vorgehabt, wenigstens einen Tag zu warten, bevor ich Pascals Villa betreten würde. Sollte Stein meine Schritte überwachen, war es besser, nicht zu voreilig zu wirken. Andererseits machte es keinen Sinn, tatenlos in der fremden Stadt zu sitzen. Ich musste hinaus und dem Dämon begegnen.
»David, ich möchte gleich in die Villa fahren.«
»Jetzt?« Er sah aus dem Fenster. »Bis wir dort sind, ist es dunkel.«
Ich stand vom Sofa auf. »Ich muss etwas unternehmen. Dazu bin ich schließlich hier.«
»Du willst im Finstern nach dem Schlüssel suchen? Und selbst wenn du reinkommst – bist du sicher, dass der Strom nicht abgeschaltet wurde?«
»Der Strom, wieso?«
»Die Villa ist seit Monaten unbewohnt. Wäre es nicht merkwürdig, wenn wir das Haus mit der Taschenlampe betreten müssten?«
»Wir?« Ich sah zu, wie er seine Jacke nahm. »Willst du etwa mitkommen?«
»Eine Seilschaft bleibt eine Seilschaft.« Er lächelte ermutigend. »Ich lasse doch meine Bergkameradin nicht im Stich.«
Froh über seine Hilfe, kam mir die Selbstverständlichkeit, mit der er mich begleitete, merkwürdig vor. Ich holte meine Tasche, gab ihm die Adresse, er führte noch ein kurzes Telefonat, wir verließen das Haus.
»Du hast recht.« Er schloss das Auto auf. »Es ist richtig, in die Höhle des Löwen zu gehen.«
»Es ist nur ein Haus«, erwiderte ich. »Ein großes, unbewohntes Haus.« Jessicas Haus, ging mir durch den Kopf. Während wir durch alte Wohnstraßen fuhren, einen Stadtring erreichten und die andere Seite Frankfurts ansteuerten, fragte ich mich, warum ich nie den Ehrgeiz gehabt hatte, in Pascals Welt Fuß zu fassen. Wieso war es mir nicht in den Sinn gekommen, zu ihm
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