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Das Echo der Schuld

Das Echo der Schuld

Titel: Das Echo der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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sich, auch wenn er schon jetzt das Gesicht dieser Livia kaum wiedererkannt hätte. Eine gänzlich farblose Frau, unauffällig und verhuscht.
    »Ja. Ich erinnere mich. Die sind doch jetzt weitergezogen, oder?«
    »Am Donnerstagabend wollten sie auslaufen. Und eben habe ich im Radio gehört, dass man ein deutsches Ehepaar aus dem Meer gefischt hat. Sie trieben in einem Rettungsboot, nicht allzu weit von der Küste entfernt. Ihr Schiff ist von einem Frachter gerammt worden und gesunken.«
    »Guter Gott. Dann haben sie aber Glück, dass sie mit dem Leben davongekommen sind. Und du meinst, dass es sich um diese … diese Livia handelt?«
    »Sie haben im Radio keinen Namen genannt. Aber ich denke, sie könnten es sein. Der Zeitablauf würde stimmen. Und ich habe sonst keine Deutschen auf der Insel getroffen.«
    »Das heißt aber noch nichts. Es gibt hier etliche Menschen, die wir nicht treffen.«
    »Trotzdem. Ich habe so ein Gefühl. Ich glaube, sie sind es.«
    »Na ja – wollten sie nicht die Welt umsegeln? Damit dürfte es ja nun vorbei sein.«
    »Livia hatte erzählt, dass sie alles, was sie hatten, verkauft haben für das Schiff. Das bedeutet, sie dürften kaum mehr etwas besitzen als die Kleider, die sie am Leib tragen.«
    »Dann waren sie hoffentlich gut versichert. Wenn ein Frachter über das Schiff gerollt ist, dann besteht es nur noch aus Einzelteilen.«
    Virginia nickte. »Sie sind in Portree in einem Bed&Breakfast vorläufig untergebracht. Ich dachte, ich schaue mal nach ihnen. Sicher können sie ein wenig Aufmunterung gebrauchen.«
    Die Leute waren ihm völlig egal, abgesehen davon, dass er nicht begriff, wie man es schön finden konnte, um die Welt zu segeln und monatelang auf einem engen Boot zu hausen, und davon, dass er es dumm fand, allen Besitz zu veräußern, um sich ein Schiff zu kaufen, aber plötzlich beschlich ihn ein mulmiges Gefühl. Es war eine Intuition. Eine Witterung.
    »Ich weiß nicht«, meinte er, »vielleicht solltest du sie nicht aufsuchen.«
    »Warum nicht?«
    »Weil … weißt du, vielleicht waren sie nicht versichert, und …« Er ließ den Satz in der Schwebe.
    Sie sah ihn verständnislos an. »Ja, und?«
    »Bei der Versicherung sparen die Leute. Das ist allgemein so. Die Pflichtversicherung, die für die Schäden aufkommt, die sie anderen zufügen, schließen sie natürlich ab, aber dann hoffen sie, dass ihnen selbst nichts passiert, und schenken sich den Rest. Dieses Ehepaar steht jetzt womöglich vor dem totalen Nichts. Vielleicht haben sie keinen einzigen Penny mehr, kein Haus, nichts. Sie werden einen Schadensersatzprozess anstrengen, aber …«
    »Man weiß offenbar nicht mal den Namen des Frachters«, sagte Virginia, »und auch nicht seine Nationalität.«
    Er seufzte. »Siehst du. Noch schlimmer. Die wissen nicht einmal, gegen wen sie klagen können. Also, falls die überhaupt je entschädigt werden, kann das Jahre dauern.«
    Virginia begriff immer noch nicht. »Ja, aber weshalb darf ich sie dann nicht besuchen?«
    »Weil … weil du dann, oder besser gesagt: wir dann womöglich ihr einziger Strohhalm sind. Ehe du dich versiehst, haben wir sie am Hals. Die werden jetzt nach allem und jedem greifen, was Hilfe verspricht.«
    »Die haben bestimmt Verwandte, die sich um sie kümmern werden. Drüben in Deutschland. Ich möchte ja Livia nur ein wenig trösten. Ich mochte sie. Und ich hatte den Eindruck, dass sie schon sowieso nicht besonders glücklich ist. Jetzt noch diese Geschichte …«
    »Sei vorsichtig«, warnte er.
    »Morgen reisen wir ohnehin ab.«
    »Ja, aber die werden auch nicht hier bleiben.«
    »Eben. Sie werden nach Deutschland zurückkehren.«
    »Falls sie dort noch irgendeine Bleibe haben. Oder finden.«
    Virginia lachte. »Du bist ein so hoffnungsloser Schwarzmaler! Ich denke, es gehört sich einfach, dass ich Livia aufsuche. Vielleicht kann ich ihr auch etwas zum Anziehen von mir mitbringen. Wir haben ungefähr die gleiche Größe.«
    Er würde sie nicht hindern können, das spürte er. Vielleicht stellte er sich auch wirklich gar zu pessimistisch an. Er wusste, dass er eine ausgeprägte Neigung hatte, die Welt schlecht und feindselig zu sehen, ohne sie allerdings deswegen zu fürchten. Er verstand es durchaus, den Stier bei den Hörnern zu packen. Aber dazu musste man auch genau wissen, wo sich die Hörner befanden. Virginia machte sich da womöglich manchmal etwas vor.
    Egal. In einem Punkt hatte sie schließlich Recht: Morgen reisten sie ohnehin

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