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Das Echo der Schuld

Das Echo der Schuld

Titel: Das Echo der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Mädchen verlieren. Als der betreffende Sonntag gekommen war, hatte ihn jedoch seine sexuelle Unrast schon in der Nacht nicht mehr schlafen lassen. Wie willenlos, so seine Aussage, war er schließlich zum Chapman's Close gefahren, in irgendeinem Winkel seiner Seele hoffend, das Mädchen selbst sei inzwischen der Angelegenheit überdrüssig geworden. Aber Rachel habe bereits gewartet, aufgeregt und erwartungsvoll.
    Das ehemalige Gelände der Firma Trickle war seit Jahren dem Verfall preisgegeben und bot trotz des sonnigen Wetters einen trostlosen Anblick. Baker war längere Zeit zuvor einmal dort gewesen, hatte aber nicht mehr in Erinnerung gehabt, wie weitläufig sich Garagen, Lagerhallen und einstige Bürogebäude erstreckten. Der Hof war völlig mit Unkraut überwuchert. Aus allen Fenstern waren längst die Glasscheiben herausgebrochen, und tote, dunkle Höhlen starrten aus dem schmutzigen Mauerwerk. Die Dächer waren halb abgedeckt, Stahltüren standen offen und hingen schief in ihren Angeln. Vor einer der lang gestreckten Lagerhallen stand ein gänzlich verrosteter Lieferwagen ohne Räder. Aus seiner zersplitterten Windschutzscheibe wuchs Löwenzahn.
    Stella öffnete die Autotür. »Das wird dauern«, sagte sie, »wenn das hier alles auch noch unterkellert ist …«
    »Wir haben keine Minute Zeit zu verlieren«, drängte Baker und stieg aus.
    Die Beamten verteilten sich sofort über das ganze Gelände. Wie mit bloßem Auge zu erkennen war, waren etliche der Gebäude einsturzgefährdet, und man musste sich in ihrem Inneren mit äußerster Vorsicht bewegen. Zudem stellte sich heraus, dass sämtliche Bürogebäude tatsächlich unterkellert waren.
    »Wenn sie noch lebt«, sagte Stella, »wird sie sich irgendwann bemerkbar machen.«
    »Es sei denn, sie ist vor Angst wie erstarrt«, meinte Baker, »sie kann auch völlig entkräftet sein. Wir dürfen keinen Winkel auslassen.«
    Während der ersten Dreiviertelstunde fanden sie überhaupt nichts. Nicht den kleinsten Hinweis darauf, dass überhaupt je ein Kind hier gewesen war. In einem Speicher stießen sie schließlich auf eine Menge leerer Bierflaschen und auf Kerzenstummel, die auf dem hölzernen Fußboden klebten.
    Baker schüttelte den Kopf. »Hat vermutlich nichts mit Walker zu tun. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich hierhersetzt, Kerzen anzündet und Bier trinkt. Wahrscheinlich haben Jugendliche eine Party gefeiert.«
    »Aber hier«, erklang die Stimme eines Beamten, der soeben den Nebenraum durchsuchte, »hier ist etwas, das könnte mit Walker zu tun haben!«
    Bei dem Nebenraum handelte es sich eher um eine Art begehbaren Wandschrank, mit einer Tapetentür fast bis zur Unkenntlichkeit getarnt. Baker spähte hinein. Auf dem Fußboden stapelten sich Fotos, die kleine Kinder in eindeutig pornografischen Posen zeigten. An der Wand klebte ein Poster, das einen erwachsenen Mann im Geschlechtsakt mit einem höchstens zehn Jahre alten Mädchen zeigte. Die Augen des Mädchens waren weit aufgerissen und voller Entsetzen.
    »Nach all meinen Jahren bei der Polizei«, sagte Stella, die gleich hinter Baker stand, »kann ich so etwas nicht sehen, ohne das Gefühl zu haben, schreien zu müssen.«
    »Da bist du nicht allein«, erwiderte Baker und wandte sich ab. »Dreckskerl«, sagte er inbrünstig, »dieses Zeug hat er daheim nicht aufzubewahren gewagt.«
    »Glaubst du, seine Frau hat wirklich keine Ahnung?«, fragte Stella.
    »Zumindest will sie ganz sicher keine Ahnung haben«, meinte Baker. Dann wandte er sich an die anwesenden Beamten. »Weitersuchen! Er war hier. Das bedeutet, mit der Preisgabe dieses Geländes hat er uns nicht belogen. Kim könnte wirklich hier irgendwo sein.«
     
    Anderthalb Stunden später waren alle ratlos und erschöpft.
    »Nach menschlichem Ermessen«, sagte einer der Beamten, »gibt es hier jetzt keinen Winkel mehr, in dem wir nicht waren. Nirgends eine Spur von dem Kind.«
    »Er hat uns eine Geschichte aufgetischt«, sagte Stella, »wahrscheinlich ist er mit Kim hier gewesen. Aber dann … ich meine, die anderen Kinder wurden auch ganz woanders …«
    Baker strich sich über das Gesicht. Seine Augen brannten vor Anstrengung. »Das hieße, Kim ist tot? Die Leichen der anderen Kinder tauchten alle in der Nähe von King's Lynn auf, alle an Stellen, an denen über kurz oder lang jemand vorbeikommen musste. Warum haben wir dann Kim nicht gefunden? Obwohl Hundertschaften der Polizei seit zwei Tagen jeden Grashalm nach ihr umdrehen!«
    »Weil er

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