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Das Echo der Schuld

Das Echo der Schuld

Titel: Das Echo der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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in der Zeitung. Er strebt einen Sitz im Unterhaus an.«
    »Er könnte es schaffen.«
    »Dann sind Sie aber noch viel mehr allein.«
    »Ich fühle mich nicht allein.«
    »In der fast ausschließlichen Gesellschaft eines siebenjährigen Kindes fühlen Sie sich nicht allein?«
    »Nein.« Sie hatte plötzlich das Gefühl, sich zu verteidigen. Und dieses Gespräch nicht zu wollen.
    »Ihre Tochter wird älter werden. Sie wird irgendwann eigene Wege gehen. Dann sind Sie immer häufiger ganz allein in diesem großen Haus. Umgeben von diesem riesigen Park. Von diesen mächtigen Bäumen, die fast die Sicht auf den Himmel nehmen.«
    Sie lachte unecht. »Jetzt übertreiben Sie aber. Nathan, ich …« Ihr Hals begann schon wieder eng zu werden. Wie am Vortag zwischen all den anderen Müttern. Er kam zu nah. Er kam viel zu nah.
    Er kramte in seiner Hosentasche und zog etwas hervor. Sie erkannte nicht sofort, was es war, aber dann begriff sie, dass es sich um eine Fotografie handelte. Irgendein leicht zerknittertes Bild.
    »Das«, sagte er, »fand ich gestern Abend. In der untersten Kommodenschublade im Gästezimmer. Da sind eine Menge Fotos in Briefumschlägen untergebracht.«
    Sie brauchte einen Moment, die lässige Gleichmütigkeit zu verdauen, mit der er das sagte.
    »Schauen Sie in fremden Häusern immer in Schubladen?«, fragte sie schließlich.
    Er ging darauf nicht ein, sondern betrachtete das Bild. »Das sind Sie«, sagte er, »vor … vielleicht fünfzehn Jahren? Mit Anfang zwanzig, würde ich schätzen.«
    Er reichte ihr das Foto. Es zeigte eine junge Frau im wadenlangen Zigeunerrock, ein T-Shirt mit Fransen an Saum und Ärmeln dazu. Die taillenlangen Haare fielen ihr offen über die Brust. Sie lachte. Sie war barfuß. Sie saß auf der Spanischen Treppe in Rom zwischen hundert anderen Menschen. In ihren Augen war ein erregtes, freudiges Funkeln.
    »Dreiundzwanzig«, sagte sie, »dreiundzwanzig bin ich auf diesem Foto.«
    »Rom«, sagte er. »Rom im Sommer.«
    »Im Frühling.« Sie musste schlucken. Sie wollte nicht an Rom denken. Sie wollte, dass Nathan sofort verschwand und sie in Ruhe ließ.
    Sie schob ihren Stuhl zurück. »Nathan …«
    Er beugte sich über den Tisch, nahm ihr sanft das Foto aus den Händen.
    »Ich muss es immer wieder ansehen«, sagte er. »Und seit gestern Abend kann ich mir nur immer wieder eine einzige Frage stellen: Wohin ist diese wilde, lebendige Frau verschwunden? Und warum?«
     
    Sie war entrüstet, aber so richtig wollte es ihrer Entrüstung nicht gelingen, sich in echte Wut zu verwandeln. Er ging eindeutig zu weit. Ihre Adresse hatte er aus einer Schublade im Ferienhaus in Skye. Nun kam er hierher, brachte seine Frau im nächstgelegenen Krankenhaus unter und rechnete damit, dass er unter diesen Umständen Aufnahme in ihrem Haus finden würde, eine Kalkulation, die tatsächlich aufgegangen war. Kaum hatte er hier sein Nachtlager aufgeschlagen, stöberte er schon wieder in Schränken herum, die ihn nichts angingen. Und stellte Fragen, die vielleicht ein enger, langjähriger Freund hätte stellen dürfen – niemals jedoch ein Fremder. Lächelnd und gleichmütig verletzte er ihre Grenzen.
    Und das alles, weil sie ganz offensichtlich am Anfang zu weich gewesen war.
    War es so? Lag es an ihr? Nach ihrem Gefühl hatte sie sich einfach nur freundlich und hilfsbereit gegenüber in Not geratenen Mitmenschen gezeigt. Livia hatte eine Woche lang für sie gearbeitet, sie hatte die junge Frau sympathisch und nett gefunden und das Bedürfnis verspürt, ihr zu helfen, als sie in Not geriet. Und Livia hatte sich im Übrigen daraus keinerlei aufdringliches Verhalten angemaßt. Sie hatte die Kleider dankbar angenommen, die Virginia ihr brachte, sie war auch im Ferienhaus eingezogen, aber weder hatte sie dort herumgeschnüffelt, noch war sie anschließend ihren Wohltätern nach Norfolk nachgereist. Vermutlich würde sie sich, wäre sie allein, schon längst wieder in Deutschland befinden.
    Es war Nathan, der sich nicht abschütteln ließ.
    Hatte Frederic einen so viel besseren Instinkt als sie? Sie kannte Frederic als einen ebenfalls hilfsbereiten Menschen, der andere nicht im Stich ließ, wenn sie ihn brauchten. Im Fall des deutschen Ehepaars jedoch war er von Anfang an zurückhaltend, später sogar ablehnend gewesen. Und offenbar hatte er damit richtig gelegen.
    Sie hatte Nathan nicht geantwortet. War stattdessen aufgestanden und hatte erklärt, Kim jetzt von der Geburtstagsparty abholen zu müssen. Er

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