Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45
wundern sich, daß ich mich in dieser Sprache mit ihnen frei verständigen kann. Mit einem Wort: Ich würde mich da gerne noch aufhalten und all diese Schönheit anschauen. Dich und Nika küsse ich ganz, ganz herzlich.
Dein Borja
Der sowjetische Offizier
Akim Popowitschenko
(Österreich)
An seine Frau Wera
Werusska, Du hast ja wirklich so gar kein Glück. Die Pakete, die andere zugleich mit mir losgeschickt haben, sind alle schon längst angekommen, nur Du hast immer noch nichts. Das erste Paket habe ich an die T. G. Schewtschenko-Adresse geschickt. Das habe ich Dir schon mitgeteilt und die Quittung geschickt und das Absendedatum gesagt, mach doch eine Nachfrage beim Bezirksverbindungsbüro von Smela. Um nichts ist es mir da so leid wie um das Leder für neue Stiefel. Alles andere ist nicht wichtig. Allerdings waren auch Strümpfe für Dich dabei. Ich habe Dir noch weitere vier Pakete geschickt, eines davon hat mein Freund, der stellvertretende Redakteur Jascha Bibergal an Dich geschickt, das ist ein Kumpel aus Odessa. Er hat keine Angehörigen und niemanden, dem er was schicken könnte. Sein Paket kannst Du ganz als Dir gehörend betrachten, laß ihm nur die 3,5 Meter graue Wolle übrig. Darum hat er gebeten. Und die anderen Pakete, die Du von ihm bekommen wirst, kannst Du auch aufmachen und alles nehmen, bis auf die 10–20 Meter Krepp, die will er abholen, falls er überlebt und falls er die Möglichkeit haben wird, uns besuchen zu kommen.
Er ist Jude, aber er ist kein jüdischer Jude. Er ist wirklich ein feiner Kerl. Das wäre alles. Bis zum baldigen Wiedersehen, Liebe!
Dein Kima
Der Rotarmist Wassili Wassiljew
Berlin
An seine Frau
Meine Liebe!
Ich gratuliere Euch zum Ersten Mai – dem Festtag des Frühlings und des Sieges. Mit dem ersten Probeversuch Himmlers hat Deutschland gezeigt, daß es vor der Sowjetunion nicht kapitulieren will, jedoch bereit ist, es vor England und den USA zu tun. Das ist bezeichnend. Es handelt sich hier nicht nur um einen Versuch, Zwiespalt zwischen freien Menschen zu provozieren und zu säen, sondern es ist auch gleichzeitig eine Bestätigung unserer Kraft, einer besonderen Kraft .
Darauf können wir stolz sein!
Deutschland wird in die Knie gezwungen.
Es wäre jetzt besonders angebracht, sich an die Worte Lenins und später auch Stalins über die Vorbereitung des imperialistischen Krieges und dessen mögliche und unabwendbare Folgen zu erinnern!
Es ist alles so gekommen, wie sie es gesagt haben. Man sehe sich den Balkan an! Man sehe sich Polen an! Man sehe Europa an, wo sich alles in Bewegung und vorläufig auch in Verwirrung befindet.
Der Leninismus hat eine Prüfung bestanden im Hagelfeuer von Kämpfen und Schlachten, wie sie die Welt noch nie gekannt hat, von Kämpfen mit Riesenausmaß und ungeheuerlichen Folgen. Die Faschisten wollten in Moskau als Herren thronen. Jetzt kennen sie diesen Ort als Gefangene. Wir hingegen wollten gar nicht nach Berlin, aber jetzt sind wir als Sieger dort.
So sieht die Realität aus.
Adolf Hitler 1889–1945
Berlin/Führerbunker
Politisches Testament
Ich habe noch drei Tage vor Ausbruch des deutsch-polnischen Krieges dem britischen Botschafter in Berlin eine Lösung der deutsch-polnischen Probleme vorgeschlagen – ähnlich der im Falle des Saargebietes unter internationaler Kontrolle. Auch dieses Angebot kann nicht weggeleugnet werden. Es wurde nur verworfen, weil die massgebenden Kreise der englischen Politik den Krieg wünschten, teils der erhofften Geschäfte wegen, teils getrieben durch eine, vom internationalen Judentum veranstaltete Propaganda.
*
Wolfgang Soergel
(Kriegsgefangenenlager in Schottland)
Am 20. April ist Jena und Saalfeld besetzt, General Patton erreicht mit seiner US-Panzerarmee, von meiner Universitäts-Stadt Leipzig kommend, die Außenbezirke von Chemnitz. Wo werdet Ihr sein? Dringen sie in unser Haus in Rabenstein, in unseren Wald ...
«... wieder duftet der Wald, es heben die schwebenden Lerchen mit sich den Himmel empor ...»,
und wieder ist es April, und von Berlin wird Hitlers Geburtstagsaufruf gemeldet, dessen Irresein alle begreifen, selbst die ahnungslosesten, grauledernen U-Boot-Besatzungen, die sonst nichts glauben wollen, die auf Tauchstationen liegen, doch die meisten fragen sich, ob Adolf Hitler ein Kranker ist oder der leibhaftige Satan.
Paul Groß *1925
Kriegsgefangenenlager Florence bei Tucson
Auf Anordnung vom Hauptlager Florence mußte ich am 30. April 45 dorthin zu einer
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