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Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)

Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)

Titel: Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Peters
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Synapse und kennt drei dauerhaft-stabile Zustände. Der erste – ACTIVE genannt – ist die Grundeinstellung. Die Synapse ist naiv und bereit zu lernen. Hat sie einmal gelernt, ist es für die Synapse nahezu ausgeschlossen, in den ACTIVE -Modus zurückkehren. Es ist, als habe die empfangende Nervenzelle unwiederbringlich ihre Unschuld verloren.
    Wie wir bereits gesehen haben, wird Lernen erst dadurch möglich, dass eine Synapse aus ihrer Grundeinstellung heraus grundsätzlich zwei weitere Zustände annehmen kann, LTP (Long Term Potentiation) und LTD (Long Term Depression). Unter LTP versteht man den stabilen Zustand, in dem es zu einer lang andauernden ( long-term ) Verstärkung ( potentiation ) der synaptischen Übertragung kommt. Die empfangende Nervenzelle ist dadurch besonders aufnahmefähig für Informationen. Jedes ankommende Signal wird nicht nur weitergeleitet, sondern auch verstärkt. Ein Neuron, dessen Synapsen von einem Stress-Cue (zum Beispiel einem Hundebiss) auf LTP programmiert wurden, wird auf jede weitere Begegnung mit diesem oder einem ähnlichen Hund reagieren und dazu beitragen, dass das Stresssystem erneut aktiviert wird. Unter LTD versteht man den stabilen Zustand, in dem die Nervenzelle gar nicht oder nur gering auf ankommende Reize reagiert. Eine Nervenzelle kann zwar nicht wieder ACTIVE werden, aber sie kann an der entsprechenden Synapse von LTP auf LTD und umgekehrt umprogrammiert werden.
    Wenn wir jetzt also versuchen, das Konzept des Vergessens auf Neuronen anzuwenden, lautet die Antwort: negativ. Einmal gelernte Informationen lassen sich nicht wieder entfernen, aber – und das ist ein bedeutendes Aber – die Neuronen, die diese Informationen gelernt haben, lassen sich hemmen. Und genau darin liegt die Chance, mit unliebsamen Cues fertig zu werden. Gedächtnisforscher sprechen deshalb auch nicht von Vergessen oder Verlernen, sondern von »Extinktion«. Der Begriff meint eigentlich eine Löschung, in der Gedächtnisforschung versteht man darunter aber einen Prozess des Umlernens. Verhaltenstherapien bei Angsterkrankungen funktionieren zum Beispiel nach dem Extinktionsprinzip.
    Bleiben wir bei dem Beispiel mit der Hundeattacke: Bei dem Menschen, der von einem Hund gebissen wurde, sind die Synapsen, die zu den Neuronen der Amygdala führen, durch das Ereignis des Bisses auf LTP programmiert worden. Die Neuronen, die dann ihrerseits das Stresssystem aktivieren, reagieren fortan extrem empfindlich auf mit Hunden verknüpfte Reize. Diese Furchtkonditionierung führt dazu, dass bei jeder Begegnung mit einem Hund die Brain-Pull-Amygdala-Neuronen aktiviert werden und das gesamte Stressabwehrprogramm mit Furchtgefühl und Adrenalin- und Kortisol-Ausschüttung auslösen. Manchmal wird die Furcht vor Hunden sogar zu einer ausgeprägten Hundephobie. Nur durch eine Verhaltenstherapie kann das Gehirn jetzt noch umlernen. Dabei wird der von der Phobie betroffene Mensch gezielt mit Hunden in Kontakt gebracht; dieses therapeutische Vorgehen nennt man »Exposition«. Durch wiederholte positive Begegnungen mit Hunden lernt der Mensch, dass ihm nichts Schlimmes widerfährt. Nach hinreichend häufigen Wiederholungen einer solchen undramatischen Begegnung mit Hunden kommt es schließlich zur Extinktion: Es werden neue neuronale Verbindungen geknüpft, die beim Anblick eines Hundes die Auslösung der Furchtreaktion unterbinden. Das findet in parallelen Signalpfaden statt, neuen Nervenverbindungen, die vorher nichts mit dem Hundeproblem zu tun hatten. Der Stress-Cue erreicht die Amygdala jetzt auf einem zusätzlichen Alternativ-Signal-Pfad, in welchem jetzt ebenfalls ein Lernprozess ( LTP ) stattfindet (Abbildung 4c).

    Abbildung 4c

    Furchtextinktion: Neue Neuronen-Pfade gegen die Furcht.
    Ein Mensch sieht zum wiederholten Male einen Stressor (den Hund, der ihn schon mal gebissen hat). Da die nachfolgenden Begegnungen mit dem Hund ohne gefährliche Folgen blieben, verändert sich die Reizverarbeitung im Gehirn: Es kommt zur Extinktion (Auslöschung) der Furcht. Diese Veränderung ist möglich, weil der Stressreiz jetzt auf zwei unterschiedlichen Wegen zur Amygdala ( AMY ) gelangt. Zum einen immer noch auf dem direkten, schmerzhaft gelernten Weg wie bei der ersten Begegnung (vgl. Abb. 4a); dieser »Stresspfad« würde für sich genommen die AMY -Neuronen in der obersten Etage des Stresssystems erregen. Andererseits wird das Signal auch auf einem neu gelernten Umweg über den Präfrontalen Kortex verarbeitet;

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