Das Einhornmädchen Vom Anderen Stern
nie aufgehört hatte, nach dem älteren Mädchen zu jammern, das sie offenkundig als eine Mutter ansah.
Delszaki Li und die Schürfer äußerten sich etwas geräuschvoller. »Du hast was gemacht?« bellte Rafik, als Acorna ihm voller Stolz die Ergebnisse ihres Ausflugs berichtete.
»Ich habe euch doch gesagt, daß ich mich auf die Suche nach Chiuras Mama Jana machen würde«, protestierte Acorna.
»Schon«, gab Calum unvorsichtigerweise zu, »aber wir hätten nicht gedacht, daß du es schaffen würdest. Andernfalls hätten wir dich nicht mit bloß Pal und einer einzigen Leibwache losziehen lassen.«
Nadhari Kando verlagerte ihr Gewicht ein wenig, von nur einem Bein zu einer auf den Ballen beider Füße ausbalancierten Pose. Diese geringfügige Bewegung hätte eigentlich unbemerkt bleiben sollen, zog aber statt dessen jedermanns Aufmerksamkeit auf sich. Sie starrte Calum geradewegs in die Augen, bis dieser seinen Blick senkte.
»Das heißt…«, murmelte er, »natürlich warst du bei Nadhari vollkommen sicher. Schließlich, wenn Herr Li ihr sogar sein eigenes Leben anvertraut…«
»Ganz recht«, pflichtete Nadhari ihm bei. Ihre tiefe, rauhe Stimme war beinahe ohne Ausdruck.
»Wollt ihr Jana etwa nicht?« Acorna legte ihren Arm um das verwirrte Kind.
»Sicher wollen wir sie«, antwortete Gill aus vollem Herzen.
Er ließ sich vor Jana auf ein Knie nieder, die bei der Annäherung dieses rotbärtigen Riesen unwillkürlich zurückschreckte. »Wir brauchen dich hier, Jana. Chiura braucht dich. Wir alle tun das. Jede Menge Platz in diesem Haus für ein weiteres kleines Mädchen.« Er warf Delszaki Li einen fragenden Blick zu und erntete ein zustimmendes Nicken. »Wir waren nur… überrascht, daß Acorna dich so schnell gefunden hat.«
»Wir haben sie unterschätzt«, meinte Rafik schwermütig.
»Wahrscheinlich nicht das letzte Mal«, zwitscherte Delszaki Li. Seine dunklen Augen strahlten vor Belustigung.
Pals persönlicher Alptraum, daß die Hüter des Friedens die Spur von ihm und »Didi Acorna« auf irgendeine Weise von Anyag bis zur Li-Residenz zurückverfolgen und ihn beschuldigen könnten, sich für unmoralische Zwecke Kinder zu besorgen, wurde nie wahr. Er war sich nicht sicher, ob das daran lag, weil man ihre Spur nicht gefunden hatte, oder weil die Hüter zu klug waren, um den Versuch zu unternehmen, sich mit einer so mächtigen Gestalt wie Delszaki Li anzulegen, oder weil sie es einfach als Selbstverständlichkeit hinnahmen, daß jeder Mann, der entsprechende Neigungen verspürte, sich, wann immer er das Bedürfnis danach verspürte, für seinen privaten Gebrauch ein paar junge Mädchen kaufen dürfen sollte. Er befürchtete letzteres.
Selbst Acorna schien, nach ein paar wehmütigen Bemerkungen über den vielen unbelegten Platz, den es in den Obergeschossen gäbe, und wieviel Betten doch in das lange Empfangszimmer passen würden, Pals strenges Verbot zu akzeptieren, irgendwelche weiteren Kinder aufzusammeln, bevor Delszaki Li die sichere Zuflucht der Mondkolonie aufgebaut hatte. Sie versprach noch nicht einmal Jana, daß sie losziehen und nach Khetala suchen würde – dem Himmel sei Dank! Pal geriet jetzt noch ins Schwitzen, wenn er an die Risiken dachte, die er Acorna auf ihrer tollkühnen Eskapade bereits einzugehen erlaubt hatte. Das letzte, was er jetzt brauchte, war, daß sie ihn mit ihren großen silbernen Augen anschaute und höflich eine Führung durch die Bordelle von Ost-Celtalan erbat. Besonders da er den schlimmen Verdacht hegte, daß er ihr nachgeben würde. Das Bedürfnis, Acorna alles zu geben, was sie wollte, wurde um so stärker, je mehr Zeit er in ihrer Gesellschaft verbrachte.
In Anbetracht all dessen hätte er sich eigentlich erleichtert fühlen sollen, als nach ein paar ruhigen Tagen, die sie mit Chiura und Jana verbrachte, ihre einzige Bitte darin bestand, mit Judit einen Einkaufsbummel machen zu wollen.
»Ich bin überzeugt, daß du eine Menge wichtigere Dinge zu tun haben mußt«, entschuldigte sie sich bei Judit, »aber siehst du, ich habe Herrn Li versprochen, nicht mehr alleine aus dem Haus zu gehen. Es gibt ein paar Dinge, die ich aus den Geschäften brauche, und irgendwie glaube ich nicht, daß Nadhari…«
»Aber selbstverständlich«, begeisterte sich Judit. »Du hast vollkommen recht. Ich bin ziemlich sicher, daß Nadhari keinen schwarzen Gürtel im Einkaufen hat. Und ich bin im stillen langsam verrückt geworden, die ganze Zeit untätig darauf warten zu müssen,
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