Das Einhornmädchen Vom Anderen Stern
diese Jana finden.
Nach der Tracht Prügel, die Siri Teku ihr dafür verpaßte, daß sie Chiura zu verstecken versucht hatte, verlor Jana ihre Position als Karrenschlepper an Streb Fünf. Ihre Partnerin Khetala war fort, und sie konnte ohnehin nichts mehr ziehen.
Der letzte Tritt, den Siri Teku ihr versetzt hatte, hatte irgend etwas in ihrem rechten Knie zertrümmert. Sie konnte dieses Bein nicht einmal mehr geringfügigst belasten, und ganz gewiß konnte sie nicht die engen Schächte hochkriechen, um einen mit Erz vollbeladenen Karren hinter sich her zu zerren. Buddhe und Faiz übernahmen die Arbeit am ertragreichen Streb Fünf.
Als eine Art Entschuldigung dafür, daß sie sich ihres Platzes bemächtigten, verschaffte sich Faiz eine Holzlatte aus dem Dach. Daran schnitzte er so lange herum, bis sie die Gestalt einer groben Krücke hatte, so daß Jana sich wenigstens zu den Sortierhalden und dem Latrinengraben nach draußen schleppen konnte. Sie vermutete, daß das freundlich von ihm gemeint war, aber ihr war inzwischen alles ziemlich gleichgültig. Sie hatte seit Siri Tekus Schlägen die ganze Zeit Schmerzen, und die Stockstriemen brannten und waren angeschwollen und heilten nicht richtig ab. Kheti würde sich über schlechtes Essen und Dreck aufgeregt haben, würde sie gezwungen haben, ihre Wunden auszuwaschen und ekelerregende Gebräue aus den auf Anyags berghohen Abraumhalden wachsenden Kräutern herunterzuwürgen, um die ewig gleiche Ernährung aus Brotfladen und Bohnenbrei zu ergänzen. Aber ohne Khetala, die auf ihr herumhackte, konnte sich Jana einfach nicht dazu aufraffen, sich diese Mühe zu machen. Sie war müde, hatte Schmerzen, und es schien einfach nicht viel Sinn zu haben, mit kaltem Wasser und Kräutergebräu eigenhändig dafür zu sorgen, daß sie sich noch schlechter fühlte.
Siri Teku hatte geflucht, als er sah, daß sie zeitweilig verkrüppelt war. Aber ihr aufrichtiges Winseln, als er mit seinem Fuß ausholte, um ihr böses Knie erneut zu treten, hatte seine gute Laune wiederhergestellt.
»Wußte doch, daß ich ihr diese freche Widerspenstigkeit eines Tages austreiben würde«, frohlockte er, sich nicht einmal die Mühe machend, sie direkt anzusprechen. »Sie kann Chiuras Platz beim Erzsortieren einnehmen, bis sie wieder laufen kann.«
Laxmi murrte, daß Jana nicht besser fürs Erzsortieren zu gebrauchen sei, als es »dieses Baby« gewesen war, und das stimmte. Sie vergeudete lange Stunden damit, einfach nur auf dem Erzstapel zu hocken, den über den Himmel ziehenden Wolken nachzuschauen, das Längerwerden der Abendschatten vor der Abraumhalde zu beobachten, die den halben Himmel versperrte, sowie von Zeit zu Zeit geistesabwesend Bröckchen zersplitterter Felsen durch ihre Finger gleiten zu lassen. Laxmi legte großen Wert darauf, ihre Arbeit von Janas getrennt zu halten, so daß Siri Teku nicht im Zweifel darüber bliebe, wer am Ende des Tages was geleistet hatte.
»Du kannst meinetwegen faul sein und verhungern, wenn du das willst«, warnte sie Jana, »aber ich werde nicht für uns beide doppelt soviel arbeiten. Mußt dich eben beeilen, wenn du dir dein Abendessen verdienen willst.«
»Wen kümmert’s?« murmelte Jana.
Die sandigen Brotfladen hinunterzuwürgen war nur eine weitere sinnlose Sache, die mehr Mühe zu machen schien, als sie wert war. Sie mußte sich stärker konzentrieren, als es ihr lieb war, um überhaupt den Zusammenhang zwischen verpaßten Mahlzeiten und dem unablässigen, nagenden Schmerzknoten in ihrer Mitte herzustellen. Es war ohnehin nicht der allerschlimmste Schmerz, nichts im Vergleich zu dem Pochen der infizierten Peitschenstriemen auf ihrer Haut oder dem scharfen Stich, wann immer sie ihr böses Knie irgendwohin schleppte. Sie wußte zwar, irgendwo ganz tief verborgen in ihrem vom Fieber gepeinigten Verstand, daß sie, wenn sie nichts aß, noch schwächer werden und bald sterben würde. Aber das schien beides keine Rolle mehr zu spielen.
Ohne Kheti, um sie alle zu drangsalieren, doch auf sich zu achten, würde es die ganze Kolonne nicht lange machen.
Schon hatte Faiz eine schwärende Wunde an einer Hand und war Laxmis Husten schlimmer denn je. Wie auch immer, was hatte es für einen Sinn, so hart zu arbeiten, nur um am Leben zu bleiben? Niemanden scherte es, ob Jana lebte oder starb.
Und seit sie ihr Chiura weggenommen hatten, gab es kein kleines, weiches, warmes Kätzchen-Mädchen mehr, das sie knuddeln und lieben konnte. Wenn es Jana gegeben gewesen
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