Das Elbmonster (German Edition)
fortlaufend kürzere Lebensphase zu pressen. Das hält auf Dauer keine Gesellschaft aus, selbst wenn sie den unerlässlichen Stoffwechselprozess mit der äußeren Natur noch so effektiv organisiert und durchsetzt. Zudem ist es kein Wunder, dass unser Rentensystem im hohen Maße krankt, wenn unweigerlich immer weniger Beitragszahler eine stets wachsende Zahl an Senioren zu schultern haben. Wir leben schon lange beinahe sorglos auf Kosten unserer Nachfahren. Und von wegen: „Die Renten sind sicher.“, Herr Blüm! Mit hohlen Phrasen und leeren Versprechungen kommen wir aus unserem aktuellen Dilemma gewiss nicht heraus. Hierfür braucht es vielmehr drakonischer Maßnahmen, damit die Nation insgesamt wieder allmählich gesundet, was indessen auch ein reichliches Quantum an Sachkenntnis, Mut und Stehvermögen bei den gewählten Volksvertretern voraussetzt. Mit notorischen Weicheiern lässt sich da nicht viel ändern.
Freilich, wer Gehorsam verlangt, kann Liebe nicht erwarten. Aber vielleicht doch eine gewisse Einsicht und später möglicherweise sogar Anerkennung.
Wir müssen uns jedenfalls auf die weitere Absenkung des Rentenniveaus ebenso gefasst machen wie auf die schrittweise Erhöhung der Lebensarbeitszeit. Das klingt zwar nicht charmant, wird aber so kommen. Und warum auch nicht? Selbstverständlich könnten heute mehr denn je und künftig erst recht auch so manch Siebzigjährige noch einer geregelten Teilzeitarbeit nachgehen und ihren speziellen Beitrag zur Wertschöpfung leisten, statt unentwegt von einem Urlaubsort zum anderen zu jagen oder vom neuzeitlichen Bazillus des allgemeinen Fitnesswahns befallen zu werden (nichts gegen „Muckibuden“, denn es sind vorwiegend nützliche Einrichtungen und daher auch jedem zu gönnen!).
Eine Neuorientierung unseres aktiven Broterwerbs wäre übrigens auch deshalb gerecht, weil manche Berufstätige schon mit fünfzehn in die Rentenkasse einzahlen, während andere dieser Pflicht erst mit dreißig oder noch später nachkommen. Der künftige Altersübergang wird jedenfalls fließend sein, wobei man sicher differenzieren muss, denn Bergleute oder gesundheitlich verbrauchte Personen schlechthin kann man gewiss nicht erst mit siebzig Lenzen in Rente schicken (in politischen Bereichen scheint das jetzt schon günstiger zu laufen; vielleicht ist es dort am wenigsten anstrengend?). Eine absolute Gerechtigkeit wird es ohnehin niemals geben. Wir vermögen bestenfalls, sie unaufhörlich anzustreben.
Andererseits darf man nicht verkennen, dass die jetzige Rentnergeneration ihren Anspruch sowohl auf einen würdigen als auch eigennützigen Lebensabend redlich verdient hat, indem sie hart dafür arbeitete und nicht fortlaufend über Leistungsdruck und Stress klagte, wie es heutzutage nahezu allenthalben der Fall ist, objektiv jedoch eher seltener zutreffen dürfte. Wir jammern eben viel zu häufig auf einem beachtlichen Niveau! Zugegeben, etwas Hektik sollte man gezielt aus unserem System nehmen. Das ständige Schneller, Höher und Weiter nagt wohl doch vielen an den Nerven, und man fragt sich mitunter: Warum eigentlich? Wäre nicht mehr Gelassenheit sinnvoller? Bisweilen gewinnt man sowieso fast schon den Eindruck, dass wir Deutschen es allmählich verlernen, das Leben zu genießen.
Oje, habe ich erneut für Empörung gesorgt, Gemüter in Wallung gebracht? Mag sein, ist mir sogar recht, denn ich halte solche Themen für enorm wichtiger als uns vergleichsweise ständig mit den wundersamsten Allüren sowie Exzessen der Reichen und Schönen zu befassen, von denen zwar viele berühmt sind, aber nur wenige bedeutsam. Es ist ohnehin zu befürchten, jenes grob umrissene Horrorszenario könne früher eintreten als von mir vorausgesagt, falls es uns nicht beizeiten gelingt, das öffentliche Bewusstsein gegen die erwähnte Gefahr zu schärfen und entsprechend zu handeln.
Immerhin kommen gewaltige Veränderungen auf uns zu. Je besser wir uns darauf vorbereiten, desto nachhaltiger werden die positiven Ergebnisse sein. Und falls es für die noch berufsfähigen Älteren weiterhin nicht genug Arbeit gibt, was sehr wahrscheinlich ist, muss man diese eben anders verteilen, indem man den Jüngeren vor allem für die Kindererziehung mehr Zeit einräumt und eine solche Leistung auch vorbehaltlos als einen lebensnotwendigen Wert der Gesellschaft anerkennt. Darüber hinaus kann auch die Steuer- und Finanzpolitik noch wesentlich kinderfreundlicher ausgerichtet werden, etwa nach dem französischen
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