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Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition)

Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition)

Titel: Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Abbott
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den Damenhygieneprodukten, die Nase an den geblümten Lavendelduftfläschchen, die Sauberkeit versprechen, pudrige, parfümierte, weibliche Sauberkeit.
    Stattdessen sitze ich da und starre meinen Fuß an, die coole Beule von Dustys Fiberglassäbel, dem schauerlichen J-förmigen Haken.
    Die Verletzung hat etwas Heiliges, wie ein Abzeichen, der blühende Bluterguss an meinem Knöchel, der härter werdende Schorfstreifen auf meinem Schienbein von dem Schnitt, den ich mir durch meine verzweifelte Schlägerführung selbst zugefügt habe.
    Ich bewundere meine Kriegsverletzungen und habe das Gefühl, eine üppige Belohnung verdient zu haben. Ich entdecke die Geheimpackung Benson & Hedges in der feuchten Erde eines Geranientopfs und denke darüber nach, eine rauszunehmen und sie mir anzustecken. Evie und ich haben das mal gemacht. Es hat im Hals wehgetan, aber es war die gute Sorte Wehtun. Jedenfalls haben wir uns das gesagt.
    Sind in jedem Garten, jeder Garage, jedem Geräteschuppen und jedem Vogelhäuschen Zigaretten versteckt?
    Ich entdecke ein ausgetrocknetes Stück Zitronenschale in der Ecke der Terrasse. Ich ziehe meinen Fuß unter mir hervor, kicke sie mit dem Zeh los und sehe ihr hinterher, wie sie über den Kies wirbelt, hohl und leicht wie Papier.
    Hier sitzt sie immer mit ihm, mit Dr. Aiken, der eine viereckige Brille trägt und in meiner Vorstellung immer ein Klemmbrett dabei und ein Stethoskop um den Hals hängen hat, obwohl ich beides noch nie an ihm gesehen habe. Er ist nicht mein Arzt und auch nicht der meiner Mutter. Sie hat ihn, sagt Ted – woher weiß er das eigentlich? – letzten Sommer an der Snackbar im Schwimmbad kennengelernt, aber das ist schon so lange her, also bin ich mir nicht sicher. Ich glaube, ich habe ihn erst seit März bei uns bemerkt, seit dem Abend, als er ihr das Buch gebracht hat, Das Herz aller Dinge, von dem er ihr angeblich versprochen hatte, es ihr zu leihen, und das sie sogar beim Geschirrspülen las. So hatte ich sie noch nie lesen sehen, aber kurz danach fingen die gedämpften Unterhaltungen im Garten an, das Mixen von Drinks, die langen Telefonate und dieser erhitzte, rosige Ton in Moms Gesicht.
    Sie spricht nicht über ihn, aber er ist überall, im ganzen Haus. Einmal habe ich ihn um vier Uhr morgens aus meinem Fenster gesehen, er suchte im Gebüsch um die Veranda nach seiner Brille, die er dann mit seinem heraushängenden T-Shirt putzte.
    Überall bleibt etwas von ihm, er hinterlässt dies und das und jenes.
    Ich höre den Fernseher der Darltons aus ihrem Wohnzimmer, eine Titelmelodie mit tiefen Streichern und klimperndem Klavier. Oben läuft Teds Baseballspiel, … und das ist ein Strike, weit aus dem Spielfeld hinaus …
    Plötzlich taucht Mr. Verver aus dem Grün seines Gartens auf, einen Finger im Hals einer Bierflasche.
    Er lässt sie vor- und zurückschwingen, als er auf mich zukommt.
    Mir entfährt ein verdattertes »Oh«, er sieht mich an, und ich merke, wie ich rot werde.
    »Hi, Mr. Verver«, sage ich.
    Wie lange er wohl schon in seiner Einfahrt steht? Hat er mich mit den Zigaretten liebäugeln sehen? Hat er gesehen, wie komisch ich da saß, die Hände zwischen den Oberschenkeln?
    »Hey, Lizzie.« Er lächelt zaghaft, ihm fällt eine Locke in die Stirn wie einem Football-Spieler. Sein Hemd sieht schmuddelig aus, als hätte er darin geschlafen.
    Meine Hand macht sich selbstständig und streicht mir eine Strähne hinters Ohr.
    Das ist seit vorgestern das erste Mal, dass ich mit ihm rede. Das erste Mal, seit ich das Auto erkannt habe, seit ich ihm von den Zigarettenstummeln erzählt habe. Seit alles schien, als würde jetzt schnell etwas passieren, was auch immer »etwas« war. So schien es vorgestern, aber nichts ist passiert, Mr. Shaw ist gleichzeitig überall und nirgends, und wir sind Evie kein Stück nähergekommen.
    Ich denke, wie enttäuscht er von mir sein muss, denn er hatte irgendwie gedacht, ich hätte ihm den goldenen Schlüssel gereicht. Ich hätte ihm gern den goldenen Schlüssel gereicht.
    Er steht vor mir und hält inne, Fältchen an den Augen.
    Dann, kaum zu glauben, setzt er sich auf den Stuhl neben mir und streckt die Beine aus.
    »Wie geht’s dir? Wie ist es in der Schule?«, fragt er, sein Blick verliert sich im diesigen Garten.
    »Okay«, sage ich, aber es klingt lächerlich. »Sie wissen schon, komisch.«
    Meine Hand kratzt an einem nicht vorhandenen Mückenstich in meiner Kniekehle.
    Mit ihm zu sprechen, so mit Mr. Verver zu sprechen, fühlt

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