Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
war die Bereitstellung von Liquidität und die Unterstützung
der Finanzunternehmen und ausländischen Zentralbanken durch Kredite. Weniger konventionell war die Gründung von Sondereinrichtungen
zum Kauf bestimmter kurzfristiger Schuldtitel wie Geldmarktpapiere, wodurch die Notenbank zum letztinstanzlichen Investor
wurde. Die radikalste aller Maßnahmen war jedoch die Intervention der Federal Reserve auf den Märkten für forderungsbesicherte
Wertpapiere, langfristige Staatsanleihen und andere langfristige Schuldtitel.
So sehr diese Maßnahmen die Vorstellungskraft strapazieren, sie waren längst nicht so durchgeknallt wie einige andere, die
während der Krise erörtert wurden. So hätte die Notenbank zum |210| Beispiel direkt auf den Aktienmärkten intervenieren können, um Aktien zu kaufen, die keiner haben wollte. Diese Taktik war
während der Asienkrise 1998 zum Einsatz gekommen, als die Währungshüter in Hongkong 5 Prozent der an der Börse gehandelten
Aktien aufkauften. 19 Diese Maßnahme wurde damals vielfach kritisiert, konnte jedoch eine Währungskrise verhindern. Die Versuche mancher großer
Hedge-Fonds, mit Short-Positionen in der Währung und am Aktienmarkt ein sogenanntes »Double Play« zu spielen, wurden vereitelt.
Tatsächlich erwirtschaftete die Regierung mit ihrem Engagement einen ordentlichen Gewinn. Eine ähnliche Strategie verfolgte
die japanische Zentralbank im Jahr 2002, wobei es anders als in Hongkong lediglich darum ging, die Kurse bestimmter Bankaktien
und dadurch die Banken selbst zu stützen. Im Jahr 2009 ergriff sie diese Maßnahmen ein zweites Mal aus denselben Gründen.
Diesen Kurs schlug die Notenbank nicht ein, und zwar aus gutem Grund. Diese Maßnahmen hätten berechtigten Anlass zu der Befürchtung
gegeben, dass die Märkte der größten Volkswirtschaft der Welt vom Staat manipuliert würden. Die bereits angeschlagene Glaubwürdigkeit
hätte noch mehr gelitten. Aufgrund ähnlicher Bedenken erlegte sich die Federal Reserve bei anderweitigen Interventionen Beschränkungen
auf. So akzeptierte sie nur erstklassige Anlagen als Sicherheiten für Darlehen und kaufte keine zweifelhaften Schuldtitel.
Auch die Federal Reserve hatte ihre Grenzen.
Auch andere kontroverse Instrumente brachte die Notenbank nicht zum Einsatz. Dazu gehörten quantitative Lockerungen in weit
größerem Umfang, wie eine künstliche Schwächung des Dollars oder die Verteilung frisch gedruckter Dollarscheine per Hubschrauber,
wie sie Milton Friedman einst halb im Scherz vorgeschlagen hatte. 20 Natürlich hatte Friedman damit nicht gemeint, die Politik solle tatsächlich Geld wie Manna vom Himmel regnen lassen. Doch
es gab Maßnahmen, die ganz ähnlich wirkten. So hätte man beispielsweise Steuererleichterungen gewähren |211| und diese durch die Druckerpresse finanzieren können. Diese Idee sprach Bernanke zwar im Jahr 2002 an, doch er setzte sie
in der Krise nicht um. 21
Das ändert nichts daran, dass die Maßnahmen, die Bernanke und andere Zentralbanker zur Eindämmung der Krise ergriffen, alles
andere als konventionell waren. Doch leider hat jede radikale Medizin ihre unerwünschten Nebenwirkungen. Zum einen signalisierte
die amerikanische Notenbank den Finanzmärkten eines unmissverständlich: Sie wird fast alles unternehmen, um zu verhindern,
dass eine Finanzkrise außer Kontrolle gerät. Das wirkt zwar beruhigend, verleitet jedoch zu einer umfassenden Sorglosigkeit.
Es wäre nur zu verständlich, wenn Banken und andere Finanzunternehmen in der nächsten Krise davon ausgehen, dass die Notenbank
erneut in die Bresche springt. Nun, da es einen Präzedenzfall für die Gründung von Liquiditätseinrichtungen und die Ausweitung
der Unterstützung auf weite Teile des globalen Finanzsystems gibt, dürfen die Unternehmen auch künftig erwarten, dass beim
kleinsten Anzeichen eines aufziehenden Unwetters erneut die Rettungsanker ausgeworfen werden.
Das ist ein Problem. Wie Frank Borman, Chef von Eastern Airlines, seinerzeit in den 1980er Jahren anmerkte, »ist Kapitalismus
ohne Konkurse wie ein Christentum ohne Hölle«. 22 Leider wurden mit den Interventionen der Notenbank auch insolvente Unternehmen am Leben erhalten. Nur ganz wenige Großbanken
und namhafte Finanzunternehmen meldeten Konkurs an. Finanzinstitute, die auch durch noch so hohe Liquiditätsspritzen oder
regulatorischen Langmut nicht zu retten sind, dürfen überleben. Wie die berüchtigten
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