Das Ende des großen Fressens - · Wie die Nahrungsmittelindustrie Sie zu übermäßigem Essen verleitet - · Was Sie dagegen tun können
hungrige Tiere eine sinnvolle Belohnung. Diese Vorstellung erwies sich als falsch. Wie
das französische Experiment beweist, arbeiten Tiere für fett- und zuckerreiche Nahrung auch, wenn sie satt sind. Sie legen sich sogar für Salzlösungen ins Zeug, besonders wenn sie schon einmal unter Salzmangel gelitten haben. Eine weitere überzeugende Studie zeigte, dass Tiere sich selbst für stark zuckerhaltiges Futter anstrengen. [Ref 36] Bei diesen Versuchen an der Carleton Universität in Ottawa, Kanada, wurde der Schwierigkeitsgrad von Stufe zu Stufe höher; die Ratten mussten sich also immer mehr Mühe geben, um die nächste Belohnung zu ergattern.
Anfangs war es einfach: Sobald ein Tier einmal auf einen Hebel drückte, bekam es seine Belohnung. Die zweite Belohnung kam, nachdem es dreimal gedrückt hatte. Danach musste es schon sechsmal drücken. Für die vierte Belohnung musste der Hebel zehnmal ausgelöst werden, für die fünfte 16-mal und für die sechste volle 23-mal.
Die Forscher interessierten sich für den Punkt, an dem ein Tier aufhört, für eine Belohnung den Hebel zu betätigen. In der kanadischen Studie strengten sich die Ratten normalerweise mehr an (drückten also öfter den Hebel), um höher konzentrierte Zuckerlösung zu bekommen. Für eine Lösung ohne Zucker hielten sie im Durchschnitt bis zur fünften Belohnung durch, für eine zehnprozentige Zuckerlösung bis zur sechsten Belohnung und für eine 20-prozentige Zuckerlösung bis zur achten Belohnung. Für diese achte Belohnung mit 20-prozentiger Zuckerlösung musste eine Ratte den Hebel 44-mal betätigen.
Interessanterweise stellte sich bei dieser Studie auch heraus, dass Tiere sich nicht endlos durch Süßes locken lassen. Für eine 30-prozentige Zuckerlösung hielten sie weniger lange durch, im Durchschnitt bis knapp unter sieben Belohnungen. Wie der Mensch hat auch die Ratte ihren Kulminationspunkt für Zucker
(auch wenn dieser–zumindest in dieser Studie–höher zu liegen scheint als bei uns).
Bei fettreichen Speisen kam man zu ähnlichen Ergebnissen. An der Universität North Carolina in Chapel Hill testete Sara Ward, wie bereitwillig satte Mäuse für eine Lösung mit Maiskeimöl aktiv wurden. [Ref 37] Auch sie verwendete einen Progressive-Ratio -Ansatz, bei dem das Tier seine Belohnung erhielt, nachdem es seine Nase eine feststehende Anzahl von Malen in ein Loch gesteckt hatte. Als bester Verstärker erwies sich eine Lösung mit zehn Prozent Maiskeimöl. Hier stiegen die Tiere erst nach knapp über zwölf Belohnungen aus. Dazu mussten sie ihre Nase gut 50-mal in das Loch schieben. Demnach eignet sich auch Fett als belohnender Verstärker, für den ein Tier zu arbeiten bereit ist.
Noch hartnäckiger arbeiten Tiere für Nahrung mit einem hohen Zucker- und Fettanteil. Für ein weiteres Mäuseexperiment verwendete Ward die flüssige Trinknahrung Ensure®, die sowohl Fett als auch Zucker enthält. Unter den gleichen Versuchsbedingungen wie bei Maiskeimöl stellte sie fest, dass sich die Mäuse in einer Stunde rund 14 Belohnungen erarbeiteten, wobei sie für die letzte ihre Nase 77-mal in das Loch stecken mussten.
Das ist der wissenschaftliche Beweis, dass die Kombination von Fett und Zucker ein intensiver Verstärker ist. Ich fragte Ward im Gespräch, wie intensiv man sich das vorstellen muss, worauf sie mir erklärte, dass der Punkt, an dem die Einsatzbereitschaft der Tiere nicht mehr ansteigt, nur knapp unter dem vergleichbaren Punkt für Kokain liegt. Tiere arbeiten also für beide Angebote fast gleich hart.
Mein Blick auf einen vor mir stehenden Vanille-Milchshake bestätigte den verstärkenden Einfluss von Zucker und Fett und half mir, besser zu verstehen, was am meisten zählt. [Ref 38] Im Zuge einer Zusammenarbeit mit Kollegen von der Universität Washington und der Western Washington Universität, die als Experten genau ermitteln können, welche Eigenschaften einer Substanz uns dazu bringen, ihr nachzulaufen, stellte sich heraus, dass bei Produkten mit Zucker, Fett und Aromastoffen der Zucker die wichtigste Komponente ist. Fett ist ebenfalls ein Verstärker, aber wenn man den Kaloriengehalt vergleicht, ist Zucker der wichtigere Faktor.
Die Macht von Vanille-Milchshakes und anderen Lebensmitteln mit viel Fett und Zucker verstärkt sich weiter, sobald wir sie mit Hinweisreizen in Verbindung bringen. [Ref 39] Neben dem Geschmack und anderen Sinnesreizen können auch der Ort, an dem es dieses Lebensmittel schon einmal gab, und die
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