Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens
Terzani“darunter zu setzen. Das hat sie ganz schön in Rage versetzt.
Ich muss lachen.
Meine Enttäuschung und meine Wut wurden immer größer, und schließlich schrieb ich einen langen Artikel, in dem ich das alles kritisierte, ohne jedoch die historische Befreiung vom 30. April 1975 in irgendeiner Weise in Frage zu stellen. Sofort kam ich auf die schwarze Liste. Ich war zum Feind geworden.
Doch dann änderte sich die Situation wieder. Nach zwei, drei Jahren wurde ich erneut eingeladen, und diesmal schrieb ich einen sehr positiven Artikel. Ich war gerührt von diesem heruntergekommenen, schmutzigen, armen Hanoi, wo die Leute abends bei einer Funzel ihren pho , die vietnamesische Suppe, löffelten und manche einen Holzfisch darauf legten, weil sie keinen echten Fisch hatten.
Irgendwie hatte ich das Gefühl, zwischen den Fronten zu stehen: Auf der einen Seite war das Volk, für das ich große Sympathie verspürte, die Armen, die im Regen Hanois ums Überleben kämpften, in ihren ewig feuchten Hütten, ohne Essen, ohne Heizung, ohne Kleidung - und auf der anderen das kommunistische Regime, das sich bedroht fühlte und immer autoritärer wurde.
Diese Ambivalenz machte mir schwer zu schaffen, und wie ich später erfuhr, war es Edgar Snow ähnlich ergangen, als er 1970 nach China zurückkehrte und merkte, dass da etwas nicht stimmte, dass da Millionen von Menschen vor Hunger starben. Er fasste es nicht, dass unter Mao so etwas geschehen konnte, unter seinem Mao, den er zu Recht so bewundert hatte und der im Krieg so groß gewesen war. Aber statt einfach zu sagen „Das kann einfach nicht wahr sein“, stellte er sich diesem Problem.
Auch ich habe immer diese Ambivalenz verspürt. Wenn du mich fragst, was ich heute über Vietnam denke, muss ich sagen: Was 1975 geschehen ist, die Befreiung Saigons und die Wiedervereinigung des Landes, heiße ich gut, ohne Wenn und Aber; aber danach haben die Kommunisten eine enorme Chance vertan, denn mit etwas mehr Großmut und Umsicht hätten sie diesem Land mit seinem enormen Potential zu großer Blüte verhelfen können.
Wenn ich daran denke, wie die Dinge in Vietnam und vor allem in Saigon heute liegen - vor ein paar Jahren war ich noch einmal dort -, geht mir manchmal ein schrecklicher Gedanke durch den Kopf, der übrigens auch für das heutige China gilt: Vielleicht wäre es besser gewesen, die anderen hätten gewonnen! Denn sie verstehen es einfach besser, diese Art von Gesellschaft aufzubauen. Wenn es darum geht, mit kommunistischem Autoritarismus den Kapitalismus durchzusetzen, dann ist es sinnvoller, man lässt gleich die Kapitalisten ran.
Der Traum von einer gerechteren, menschlicheren Gesellschaft, wie sie die Revolution, an die ich glaubte, hätte hervorbringen sollen, hat sich nicht erfüllt. Dann hätten doch besser gleich die anderen gewonnen, oder? Thieu hätte direkt nach dem Sieg vielleicht mehr Menschen umgebracht und die Tigerkäfige hätten sich gefüllt. Aber auch die Kommunisten haben viele Menschen umgebracht. Sie haben sie ins Gefängnis geworfen und ihnen alle Rechte genommen. Wer hat die Boatpeople, die in Massen flüchteten, denn hervorgebracht? Die Kommunisten!
Damals habe ich begriffen, was sich auch jetzt im Irak wieder zeigt: Kriege zu gewinnen, ist relativ einfach; Frieden zu schaffen, der das Land wieder aufblühen lässt, ist viel schwerer. Und dabei hätte ein bisschen mehr Großmut genügt. Man hätte die Leute überzeugen können. Überlässt man die Gesellschaft den Geheimdiensten, lässt man zu, dass überall Spitzel hocken und jemand, der „Verdammte Kommunisten!“sagt, in der Nacht darauf verschwindet, dann funktioniert nichts mehr, dann hat man schon verloren.
Als die Nordvietnamesen und die Vietcong in Saigon einmarschierten, konnten sie auf einen unglaublichen Vertrauensvorschuss zählen. Außerdem verhielten sie sich wirklich beispielhaft. Viele hatten ein schreckliches Blutbad gefürchtet, doch Exekutionen gab es nicht, niemand wurde aus Rache umgebracht, überleg dir das mal! Dieses Kapital hätte man nutzen müssen.
Jemandem wie Ho Chi Minh wäre das vielleicht gelungen. Man hätte sagen müssen: „Jetzt ist der Krieg vorbei, jetzt sind wir alle Brüder. Verratet uns nicht, sonst verratet ihr unser Volk und unsere Geschichte. Lasst uns gemeinsam die Ärmel hochkrempeln! “Viele hätten für solche Werte den Gürtel enger geschnallt, davon bin ich überzeugt.
Doch die Kommunisten hielten sich für etwas Besseres. Sie
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