Das Erbe der Azteken
Seitentasche seines Rucksacks, holte die Moreau-Karte hervor und reichte sie hinüber. Kid studierte sie eine halbe Minute lang, dann gab er sie zurück. »Gute Nachricht, schlechte Nachricht. Suchen Sie es sich aus.«
»Schlechte Nachricht«, erwiderte Remi.
»Sie kommen etwa achtzig Jahre zu spät. Diese Region der Pangalanes wurde bei einem Erdbeben im Jahr 1932 völlig verschüttet.«
»Und die gute Nachricht?«
»Das ist jetzt trockenes Land. Also könnte ich Sie bis auf ein paar Meter an den Punkt heranführen, den Sie suchen.« Sie leerten ihre Kaffeetassen, dann schaufelte Kid mit den Füßen Erde auf das Feuer und packte seine Siebensachen zusammen. Danach brachen die drei mit Kid als Führer, Remi in der Mitte und Sam als Schlusslicht auf. Kid brauchte weder Machete noch Kompass, als er nach Nordosten marschierte und dabei Wildwechseln folgte, die auf den ersten Blick nicht mehr waren als Lücken im dichten Laub. Trotz seines Alters bewegte er sich mit einem stetigen, ökonomischen Tempo vorwärts, das Sam und Remi verriet, dass ihr Führer den größeren Teil seines bisherigen Lebens unter freiem Himmel verbracht hatte.
Nach einer Dreiviertelstunde schweigsamen Wanderns rief Kid über die Schulter: »Dieser Ort, den Sie suchen … Was ist daran so besonders?«
Remi schickte Sam einen fragenden Blick. Sam überlegte kurz, dann erwiderte er: »Sie kommen mir wie ein ehrlicher Mensch vor, Kid. Ist es möglich, dass ich mich irre?«
Kid blieb stehen und drehte sich um. Er lächelte.
»Sie irren sich nicht. Ich habe in meinem Leben mehr Geheimnisse für mich behalten, als ich Schritte gemacht habe.«
Sam sah ihm ein paar Sekunden lang in die Augen, dann nickte er. »Gehen Sie weiter, und wir erzählen Ihnen eine Geschichte.«
Kid drehte sich um und ging wieder los.
Sam fragte: »Haben Sie jemals von der CSS Shenandoah gehört?«
Nach einer weiteren Stunde lichtete sich das Unterholz, und schon bald bewegten sie sich durch eine Savanne, auf der vereinzelte Gruppen von Affenbrotbäumen gediehen. Eine Meile weit entfernt traf das Grasland links von ihnen auf Regenwald, der sich bis an den Fuß der Steilhänge erstreckte, während sie zu ihrer Rechten den Canal des Pangalanes und dahinter das Blau des Indischen Ozeans erkennen konnten.
Sie unterbrachen ihren Marsch und legten eine Trinkpause ein. Nach einem Schluck aus seiner Feldflasche sagte Kid: »Dieser Blaylock … scheint ja ein ganz besonderer Typ gewesen zu sein.«
Remi nickte. »Das Problem ist nur, dass wir noch immer nicht wissen, wie viel von seiner Geschichte zutrifft und wie viel davon nicht mehr ist als Wahnvorstellungen, die durch Malaria und Trauer hervorgerufen wurden.«
»Das ist Segen und Fluch des Schatzsuchergewerbes«, erwiderte Kid. »Ich finde, man sollte sich nie die Gelegenheit entgehen lassen, sich auf weniger ausgefahrenen Straßen zu bewegen.«
Sam hob lächelnd seine Feldflasche. »Darauf trinke ich.«
Sie stießen mit den Feldflaschen an.
»Ruhen Sie beide sich ein wenig aus. Ich schaue mich mal etwas um. Ich vermute zwar, wir sind fast am Ziel, aber ich muss noch einiges überprüfen.«
Der Mann namens Kid nahm den Rucksack ab und entfernte sich durch das kniehohe Gras. Sam und Remi streckten sich auf dem Boden aus und lauschten der Brandung unten am Strand. Ein Schwarm regenbogenfarbener Schmetterlinge tanzte über dem Gras, umflatterte für einen Moment ihre Köpfe und wanderte dann weiter. Von einem Affenbrotbaum in der Nähe hing ein Lemur mit dem Kopf nach unten an seinem langen Schwanz herab. Er beäugte sie zwei Minuten lang, dann kletterte er langsam nach oben und war nicht mehr zu sehen.
Lautlos erschien Kid hinter ihnen. Er sagte nur: »Heureka.«
Sie brauchten nicht länger als fünf Minuten zu gehen. Als sie den Gipfel eines kleinen, steilen Hügels erreichten, blieb Kid stehen und spreizte die Hände.
»Hier?«, fragte Sam.
»Hier. Durch das Erdbeben wurde die Bucht geschlossen, und das Wasser verdunstete, so dass nur noch der obere Teil der Insel frei blieb. Danach sorgten der Ozean und Stürme achtzig Jahre lang dafür, dass sich die Senke mit Schlamm und Treibsand füllte.«
Sam und Remi sahen sich um. Zum Glück war die Hügelkuppe nicht größer als vierzig Quadratmeter.
Remi sagte: »Ich denke, wir sollten den Mittelpunkt suchen und von dort aus losgehen.«
Kid fragte: »Wie viele Spannen hat Blaylock vorgeschrieben?«
»Vierzehnhundertzweiundvierzig. Etwas weniger als zwei
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