Das Erbe der Azteken
lassen wir es darauf ankommen.«
Sie schwammen um den Kai herum zum Heck der Njiwa und stellten sofort fest, dass die Yacht aus der Nähe betrachtet viel größer war. Die Heckreling befand sich drei Meter über der Wasserlinie. Remi holte den Seeanker der Dau aus ihrem Rucksack. Sam untersuchte ihn.
»Zu kurz«, flüsterte er ihr ins Ohr, dann gab er ihr ein Zeichen, ihm zu folgen. Sie schwammen zum Heckspiegel des Rinkers zurück. »Zeit für Plan B«, sagte Sam. »Ich versuche es doch über die Leiter.« Remi wollte protestieren, aber er redete einfach schnell weiter: »Es ist die einzige Möglichkeit. Wenn ich vom Kai herabspringe, verursache ich zu viel Lärm. Steig ins Rinker und halt dich startbereit.«
»Nein.«
»Und wenn ich erwischt werde, ergreif die Flucht.«
»Ich sagte …«
»Du fliehst und kehrst in die Zivilisation zurück und benachrichtigst Rube. Er wird wissen, was zu tun ist. Wenn er dich nirgendwo findet, wird Rivera annehmen, dass du die Behörden benachrichtigt hast. Er wird mich nicht töten – jedenfalls nicht sofort. Dafür ist er zu clever; Leichen machen mehr Ärger, als sie wert sind.«
Remi runzelte die Stirn und sah ihn zweifelnd an. »Lass uns das lieber Plan C nennen. Plan B ist, dass du nicht erwischt wirst. Wir stecken auch so schon bis zum Hals in Schwierigkeiten, Sam.«
»Ich weiß. Halt die Augen offen. Ich gebe dir ein Zeichen, wenn die Luft rein ist. Wenn ich die Hand hebe und die Finger spreize, kannst du kommen; wenn ich die Hand zur Faust balle, dann bleib, wo du bist.«
Er zog sein Hemd und die Schuhe aus, verstaute beides in seinem Rucksack und reichte Remi das Gepäckstück.
»Was tust du?«, fragte sie.
»Nasse Kleidung tropft, und Schuhe quietschen.«
»Sam, hast du vielleicht nebenbei einen Nahkampfkursus absolviert?«
»Ich hab mir das alles nur aus dem Fernsehen abgeguckt.«
Er gab ihr einen Kuss, tauchte ab, schwamm unter dem Rinker hindurch und kam unter dem Kai wieder hoch. Ein weiterer Atemzug und ein weiterer Tauchgang brachten ihn an den weißen Rumpf der Njiwa heran. Er schwamm nach vorn unter die Kajütenleiter, dann hielt er inne. In der Kajüte konnte er gedämpfte Stimmen hören. Zwei Männer, vielleicht auch drei. Er bemühte sich, irgendwelche Worte zu verstehen oder Stimmen zu isolieren, allerdings ohne Erfolg. Er zog sich auf den Kai hinauf, blieb dort flach liegen und lauschte, dann erhob er sich und kletterte die Leiter hinauf. Unter der obersten Sprosse verharrte er, reckte den Kopf hoch, sah aber nichts und kroch an Deck. Dann stand er auf und presste sich ans Schott.
Die Schiebetür öffnete sich. Ein rechteckiger gelblicher Lichtfleck fiel aufs Deck. Während ihm das Herz bis in den Hals klopfte, vollführte Sam einen schnellen Schritt zur Seite am Schott entlang und um die Ecke zum Vorbau, wo er bewegungslos stehen blieb und darauf wartete, dass sich sein Atem beruhigte.
Dann hörte er das Poltern von Schritten auf dem Deck. Die Tür schloss sich wieder, gefolgt von weiteren Schritten, die die Kajütenleiter hinunterklapperten. Sam ging ein Stück nach vorn, schaute nach achtern und sah nichts, daher machte er einen weiteren Schritt und blickte über die Reling. Eine Gestalt ging über den Kai. Am Ende des Kais, auf einer kleinen Lichtung, stand ein grüner benzinbetriebener Cushman-Flachbett-Truck und direkt dahinter ein weißer Golfwagen. Vor ihnen stieg der Weg an und führte zum Hubschrauberlandeplatz und weiter bis zum Haupthaus.
Die Gestalt beugte sich über den Cushman, nahm einen Rechen und zwei Schaufeln von der Ladefläche und warf sie in das Dickicht neben dem Weg.
»Er macht Platz für eine andere Fracht«, murmelte Sam vor sich hin.
Er wandte sich zum Rinker um und reckte kurz eine Warte- Faust in die Luft, dann duckte er sich und tappte zum Schott zurück.
Schritte erklangen erst auf dem Holzdeck und danach die Leiter hinauf. Die Schiebetür wurde geöffnet und geschlossen. Drei Minuten verstrichen. Die Tür glitt wieder auf. Weitere polternde Schritte. Mehrere Füße. Ein Knurren. Etwas Schweres rutschte über das Deck. Sam wagte einen Blick um die Ecke und sah drei Männer in dem Licht, das aus der Kabinentür schien: Rivera, Nochtli und Yaotl. Zwischen ihnen stand eine Kiste, die etwa genauso groß war wie die Köderkiste, die Sam auf Sansibar aufgestellt hatte.
Yaotl, der größte der drei, kletterte rückwärts die Leiter vor der Kiste hinab, während Rivera und Nochtli die Kiste vorwärts schoben. Sam
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