Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)
quälenden Hunger nach. Noch weit entfernt von den Gehöften Ballendorfs kramte sie einen Kanten Brot und ein Stückchen harten Käses hervor und schlang die karge Mahlzeit hungrig in sich hinein. Ein Schluck Wasser half ihr, auch die letzten Krümel hinabzuspülen, und nachdem sie die übrig gebliebenen Vorräte wieder in ihrem Beutel verstaut hatte, setzte sie ihren Weg fort. Vielleicht gelang es ihr, vor Einbruch der Dunkelheit die Lone zu erreichen, deren Lauf sie bis nach Bernstadt folgen würde.
Kapitel 47
Altheim, 8. August 1368
»Ist etwas nicht in Ordnung?« Das rosige Gesicht des Wirtes verzog sich beinahe komisch, als er sich besorgt zu Ortwin hinabbeugte, der lustlos in die Suppe starrte, in der drei fette Stückchen Fleisch schwammen. Diese hatte sich der Steinmetz aus der Schüssel in der Mitte des Tisches gefischt, aus der sich auch die übrigen Gäste bedienten. Doch wohingegen die anderen Durchreisenden herzhaft zuschlugen und das kräftige Frühstück verschlangen als gäbe es nichts Köstlicheres, war Ortwins Appetit schon nach den ersten Bissen geschwunden.
»Nein, nein, ich habe nur keinen besonderen Hunger«, log er, da bereits das Abendessen am Tag zuvor ihm Übelkeit und Brechreiz bereitet hatte. Die halbe Nacht hatte er sich auf dem einfachen Lager, das er mit zehn anderen in der umgebauten Stube aufgeschlagen hatte, hin und her gewälzt und mit einem zunehmenden Krankheitsgefühl gekämpft. Bis er sich schließlich am frühen Morgen aus der Herberge geschlichen und auf dem Scheißhäuslein übergeben hatte. Seitdem fühlte er sich schwindelig und erhitzt, was vermutlich daran lag, dass der Schlangenfraß seine Gedärme in Aufruhr versetzt hatte.
Mit einer Grimasse schob er die Schale von sich, zählte einige Pfennige auf den Tisch und verabschiedete sich mit einem wortlosen Nicken. Wenn er den ranzigen, üblen Geruch des Schankraumes hinter sich ließ, würde es ihm bestimmt bald besser gehen, hoffte er und steuerte auf das schlampig zusammengezimmerte Stallgebäude zu. Es war, als schwömme sein Gehirn in einer zähen Flüssigkeit! Irritiert schüttelte er den Kopf, um das unangenehme Gefühl loszuwerden, doch die heftige Bewegung sorgte lediglich dafür, dass ihm erneut schlecht wurde. Warum in drei Teufels Namen fühlte er sich so matt, als habe er tagelang Steine behauen? Sein Ärger verstärkte sich, als sich ein bohrender Gelenkschmerz zu der Erschöpfung gesellte. Vermutlich hatte er sich bei dem Regenguss vor zwei Tagen eine Erkältung eingefangen, die sich jetzt in seinem ganzen Körper ausbreitete.
Mürrisch hob er den Riegel und betrat den nach Mist und altem Stroh stinkenden Stall, in dem er seine Stute untergestellt hatte. Nachdem er die vorletzte Nacht in der halb verfallenen Kate mitten im Nirgendwo zugebracht hatte, hatte er am Morgen darauf das entlaufene Tier friedlich grasend keine zwanzig Schritte von seiner Unterkunft entfernt vorgefunden. Ängstlich darauf bedacht, sie nicht erneut zu erschrecken, hatte er sich vorsichtig genähert und sie hatte sich bereitwillig von ihm einfangen lassen.
Ein unangenehmer Kopfschmerz gesellte sich zu Ortwins Beschwerden, und wenngleich er bereits etwas davon in das dünne Gerstenbier geschüttet hatte, nahm er hastig einen weiteren Schluck Theriak. Mit einem flauen Gefühl verstaute er das kostbare Gebräu wieder in den Falten seines Mantels und sattelte das lohfarbene Tier, das leise schnaubte, als er es ins Freie trieb. Vielleicht hatte er heute mehr Glück!, dachte er säuerlich und blickte in Gedanken auf den Vortag zurück, den er mit der erfolglosen Suche in Zähringen verschwendet hatte. Als er in Altheim angekommen war, hatte er gleich am Ortseingang einen der Hörigen nach Clementine und Bruder Thomas gefragt, woraufhin dieser ihm den Weg zu deren Hof in Zähringen gewiesen hatte. Der allerdings – bis auf einen uralten Knecht – verwaist und verlassen gewesen war. Nachdem er zunächst versucht hatte, dem schwerhörigen Alten möglichst unauffällig die Informationen aus der Nase zu ziehen, die er benötigte, war ihm schließlich der Kragen geplatzt und er hatte dem verschreckten Bauern Gewalt angedroht. Was dazu geführt hatte, dass dieser ihn zurück nach Altheim geschickt hatte, wo Ortwin den Großteil des gestrigen Tages benötigt hatte, sich einen Plan zurechtzulegen. Da es sich – laut Auskunft des Knechtes – bei dem gesuchten Bruder Thomas um den Sohn des Dorfmeiers handelte, hieß es Vorsicht walten
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