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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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versanken. Wenn die Witterung der letzten Woche anhielt, würde ihnen das sich über der Alb zusammenbrauende Unwetter auch an diesem Abend Starkregen, wenn nicht gar Hagel bescheren – ein Grund mehr, sich zu beeilen.
    Während er selbst mit Hand anlegte, grübelte er über den Hass nach, der so unverhofft beim Anblick des Württemberger Wappens in ihm aufgeflammt war. Eigentlich sollte er dem Grafen Eberhard besser gesonnen sein, da dieser Wulfs Widersacher, Ulrich von Württemberg, geschickt entmachtet hatte. Was Gerüchten zufolge dazu geführt hatte, dass dieser in einer Spirale aus heldenmütiger Todessehnsucht immer leichtsinniger und waghalsiger geworden war, bis er sich schließlich bei einem Jagdausritt den Hals gebrochen hatte. Doch schien eher das Gegenteil der Fall, was nicht unbeträchtlich mit der Tatsache zu tun hatte, dass Eberhard seinem Bruder mehr als ähnlich sah.
    Als handle es sich um Ulrichs Schädel, drosch Wulf mit dem Hammer auf eine der Zeltstangen ein, die gemeinsam mit den Seilen das Rundzelt aufrecht halten würden. Da er darauf verzichtet hatte, Stühle, Tische oder gar einen Bettkasten mitzuführen, würde er wie seine Männer auf dem harten Boden nächtigen, den lediglich einige Säcke Stroh und eine Handvoll Felle polsterten. Schlag um Schlag baute sich der Grimm gegen den nicht mehr erreichbaren Gegner in ihm auf, und hatte er noch vor der Ankunft in Ulm geglaubt, Frieden in einem Neuanfang mit seiner Gemahlin zu finden, hatte ihn die letzte halbe Stunde eines Besseren belehrt. Solange er den Groll gegen das Haus Württemberg nicht begrub, würde es keine Ruhe für ihn geben!
    Ein bedrückendes Gefühl ließ ihn innehalten und die Luft einziehen. Ein einziger Blick auf die prunkvolle Zeltburg des Grafen sorgte dafür, dass Wulf sich schäbig, arm und minderwertig fühlte. Wohingegen auf dem Weg nach Ulm die Hoffnung, den Großteil seiner Zucht zu Geld machen, ihn mit Zuversicht erfüllt hatte, sorgte die plötzliche Beklemmung in seiner Brust dafür, dass er sich wünschte, der Markt sei bereits zu Ende. Am liebsten hätte er auf der Stelle die halb aufgebauten Zelte wieder abgebrochen und sich unverrichteter Dinge auf den Heimweg gemacht.

Kapitel 19

    Ulm, 20. Juni 1368

    Zwei volle Tage waren verstrichen, bis Wulf am Montag endlich den Werkmeister zu Gesicht bekam. Allerdings unter vollkommen anderen Vorzeichen, als er sie sich ausgemalt hatte. Nach einem mühsam hinabgezwungenen Frühstück begab er sich mit Ulrichs übrigen Lehrknechten und dessen zwei niedergedrückt wirkenden Söhnen auf die Baustelle – stets Ausschau haltend nach dem grau melierten Schopf des Meisters. Leise vor sich hin murmelnd legte er sich die Formulierung zurecht, mit der er Ulrich die Augen über Ortwins Charakter öffnen wollte, während seine Hände mechanisch ihre Arbeit taten. Die Kühnheit der Idee, selbst um Brigitta anzuhalten, verursachte ein prickelndes Gefühl der Kälte, das langsam, aber unaufhaltsam seinen Rücken hinaufkroch. Während die Aufregung ihn immer fahriger werden ließ, wich er den neugierigen Fragen aus, mit denen Lutz ihn unentwegt bombardierte.
    Als eine halbe Stunde nach seiner Ankunft in der Hütte Ulrichs Stimme erscholl, richtete er sich unvermittelt auf und straffte die Schultern. Wie überrascht war er, als der Baumeister mit hochrotem Kopf auf ihn hinabfuhr wie ein Blitz aus heiterem Himmel, kaum hatte er ihn inmitten der Hauer ausgemacht.
    Während Ulrich ihn mit sich überschlagender Stimme anbrüllte, grub sich von hinten eine Pranke in Wulfs Kragen, die ihn mit solcher Wucht von seinem Schemel riss, dass sein Magen einen Überschlag machte. Sein Verstand war noch damit beschäftigt, die Situation zu erfassen, als er heftig geschüttelt und zu Boden geschleudert wurde. Im selben Moment, in dem er Ortwins hassverzerrte Visage erkannte, traf ihn dessen Stiefel hart in den Rippen, doch bevor der Geselle ein weiteres Mal ausholen konnte, trat Ulrich von Ensingen tobend dazwischen .
    »Du denkst wohl, du kannst mich verhöhnen?!«, herrschte er Wulf an, der sich würgend aufrappelte und mühsam den Schmutz aus den Hosen klopfte. »Wer denkst du, dass du bist?« Mit bebendem Zeigefinger deutete der erzürnte Baumeister auf die beinahe fertiggestellte Jungfrau, deren bezauberndes Gesicht überdeutlich die Züge seiner Tochter widerspiegelte.
    »Lästerer!«, wütete er, bückte sich nach einem Zweispitz und schlug blindlings auf die Skulptur ein, die bereits nach

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