Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
Vom Netzwerk:
im Eingang auftauchte, innehalten ließ.
    »Da staunt Ihr, nicht?«, bemerkte dieser höhnisch und wies mit dem Kinn auf Wulf. »Nehmt ihm das Ding ab«, herrschte er die beiden Ritter an, die sich augenblicklich an der Halsgeige zu schaffen machten. »Ganz die Mutter.« Sein Ton triefte vor Spott. »Und jetzt zum Geschäftlichen.« Ohne zu zögern zog der Graf eine kleine Pergamentrolle aus den Falten seines Umhangs, öffnete sie und strich sie auf dem Tisch glatt. Ein Pfiff befahl einen Bediensteten herbei, der ihm Feder und Tinte reichte und sich daraufhin diskret in den Hintergrund zurückzog.
    Wulf, der den Austausch mit offenem Mund verfolgt hatte, glaubte, seinen Augen nicht zu trauen. Als der Hochgewachsene näher trat, sandte ihm der Anblick des wettergegerbten, von einem grau melierten Spitzbart und einer dunklen Mähne eingerahmten Gesichts ein kaltes Prickeln über die Kopfhaut. Und während der fremde Ritter ohne Kommentar nach dem Federkiel griff, um das Schriftstück zu unterzeichnen, traf Wulf die Erkenntnis wie ein Keulenschlag – und es hätte des Wappens auf der Brust des Mannes nicht bedurft, um ihm klarzumachen, dass er seinen Vater vor sich hatte!
    »Jetzt du«, fuhr Eberhard ihn an, und als Wulf zögerte, spürte er eine Schwertspitze im Rücken. »Wenn du nicht unterschreiben willst …« Er machte eine bedeutungsvolle Pause. »Die Augsburger warten noch.«
    Was immer es war, unter das er seinen Namen setzen sollte, es war es sicherlich nicht wert, dafür zu sterben! Mit drei wackeligen Schritten trat Wulf neben seinen Vater, zu dem er erst aufsah, als er direkt neben ihm stand. Voller Schmerz, Trauer, Erleichterung und vor allem grenzenloser Liebe tastete der Ritter mit seinen Blicken das Gesicht seines Sohnes ab, dem ohne Vorwarnung Tränen in die Augen schossen. Als habe jemand das Band zerrissen, das seit seiner Abreise aus Straßburg sein Herz gefesselt hatte, machten sich all die Gefühle, die er so mühevoll unterdrückt hatte, Luft und er senkte hastig den Blick, um seine Schwäche zu verbergen. Überwältigt rang er einige Momente um Fassung, bevor er die Feder ergriff, mit der Eberhard ihm ungeduldig vor der Nase herumfuchtelte. »Hier und hier«, wies ihn der Landesherr an.
    Sobald Wulf dem Befehl nachgekommen war, tauchte wie aus dem Nichts der Bedienstete wieder auf, der – nachdem er die Tinte mit Sand abgelöscht hatte – einige Tropfen Siegelwachs auf das Pergament träufelte, in das Eberhard seinen Ring drückte. »Das hätten wir«, brummte dieser zufrieden und wandte sich an Wulfs Vater. »Wenn er mir jemals wieder unter die Augen kommt, ist sein Schicksal besiegelt. Ihr könnt von Glück sagen, dass Ihr mit Adelheid von Oettingen verheiratet seid. Sonst wärt Ihr nicht so billig davongekommen!« Er gluckste leise. »Auch wenn der Hengst sicherlich so einiges wert ist. Ich werde jede Sekunde im Sattel genießen.«
    Wulf sah verständnislos von einem zum anderen. Wovon um alles in der Welt redete der Graf? Und warum all der Aufwand? Diese und zahllose andere Fragen wirbelten in seinem Kopf durcheinander, doch als Eberhard seinem Vater zu verstehen gab, dass das Ende der Unterredung erreicht war, blieb ihm nichts anderes übrig, als dem Katzensteiner Ritter verwirrt und benommen zurück in die Wärme des frühen Nachmittags zu folgen.

Kapitel 27

    Ulm, 26. Juni 1368

    Bleich und voll schwamm der Mond in einem sternenklaren Himmel. Obwohl es bereits weit nach Mitternacht sein musste, herrschte hinter den hell erleuchteten Fenstern der Tavernen und Badehäuser der Stadt noch munteres Treiben, und wäre Brigitta nicht bei jedem Geräusch zusammengefahren, hätte sie die milde Nacht genossen. So hingegen mied sie die ihr entgegentorkelnden Betrunkenen, wich streunenden Hunden aus und irrte durch die engen Gassen. Als eine Handvoll Ratten – aufgeschreckt von ihren Schritten – hektisch fiepend das Weite suchte, zuckte sie mit einem leisen Schreckensruf zurück, und es dauerte einige Augenblicke, bis sie sich so weit gefasst hatte, dass sie weiter in Richtung Osten huschen konnte. Wohingegen der Weg ihr tagsüber stets einfach und kurz vorgekommen war, schien er in der Dunkelheit nicht enden zu wollen. Wenn sie doch nur schon früher auf die Idee gekommen wäre, Clementine um Hilfe zu bitten, anstatt sich in dunklen Ecken vor den Wächtern zu verbergen!, schalt sie sich und schickte einen misstrauischen Blick über die Schulter. Der Gedanke daran, was die Soldaten der Stadt

Weitere Kostenlose Bücher