Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition)
für einen Augenblick von einer aufglimmenden Glut überstrahlt, die seinen Körper erfüllte. Seine Form veränderte sich. Zwei weitere Arme wuchsen aus der Gestalt hervor. Sie endeten jedoch nicht in Händen oder Pranken, sondern in zwei weiteren glühenden Köpfen mit schlackefarbenen, sich dunkel gegen die Glut abhebenden Augen. Münder öffneten sich. Aber sie stießen keinen Flammenstrahl aus, sondern Töne. Sie waren so tief, dass man sie kaum hören konnte– und so mächtig, dass sie den Boden erzittern ließen. Risse bildeten sich im Gestein.
Der Dämon machte einen weiten Schritt, dann einen weiteren, dann hatte er die Tür aus dunklem Ebenholz erreicht. Hinter sich hörte er die dröhnenden Rufe weiterer Dämonen. Töten! Morden! Brennen! Dazu waren sie gerufen worden. Aufgestiegen aus den tiefsten Tiefen des Erdreichs und gerufen von einem der mächtigsten Wesen, die je existiert hatten.
Ghool!
Dieser Name war einem alles beherrschenden Gedanken gleich. Einem Befehl, der unbedingt und um jeden Preis auszuführen war. Alles durchdringen, alles erobern, alles versengen …
Die zusätzlichen, schlangenhaften Arme stießen gegen die Tür. Die Köpfe stießen dabei ihren Feueratem aus, der sich in das uralte Ebenholz fraß, das noch aus jener Zeit stammte, als sich das Land noch nicht gesenkt hatte und dementsprechend überflutet worden war. Und obwohl diese Tür durch Zwergenrunen und Magie gegen Brandschäden gewappnet war, nützte das in diesem Fall nichts. Zu stark war die unheimliche Feuerkraft, die dem Dämon innewohnte. Die Tür zerfiel zu grauschwarzer Asche, die von der Zugluft davongeweht wurde.
Nur vorwärts!
Einen Schritt machte der Dämon und befand sich bereits im Thronsaal des Zwergenkönigs.
Die Residenz König Grabaldins war das Zentrum des Zwergenreichs. Wer diesen Ort aufgab, der gab alles auf. Das ganze, weit verzweigte und größtenteils unter den Meeresboden abgesunkene Reich der Zwerge. Dessen Gänge reichten zum Teil bis unter die große Landmasse, die der Kontinent Athranor bildete. Kaum jemand ahnte etwas davon, und die wenigen unter den menschlichen Siedlern, die einst über das Caraboreanische Meer gekommen waren, um sich in Athranor anzusiedeln, hatten kaum eine Ahnung davon. Sie hätten nie geglaubt, dass nur wenige Meter unter ihren Füßen ein fremdes, verborgenes Reich begann.
Mit Krone und Harnisch stand König Grabaldin vor seinem Thron. Außer Grabaldin selbst trug nahezu jeder Zwerg einen Helm zur Vermeidung von Kopfverletzungen, die man sich sowohl im Kampf als auch beim ganz gewöhnlichen Leben in der Tiefe stets zuziehen konnte, wenn man beispielsweise auf ein tief herabhängendes oder hervorspringendes Stück Stein nicht schnell genug reagierte. Grabaldin aber lehnte diese Sitte ab. Er trug stattdessen die Krone aus Zwergengold stolz auf dem Kopf. Diese Krone war seit über hundertzwanzig Generationen das Zeichen für die Königswürde und das Symbol der zwergischen Zivilisation. Grabaldin hatte diese Krone täglich getragen, seit man ihn im Palast unterhalb von Kergur-Dun gekrönt und er dieses höchste Amt der Zwergenheit von seinem Vater übernommen hatte. Von ihm hatte Grabaldin nicht nur sein Amt übernommen, sondern er teilte auch den Namen mit ihm.
»M ajestät! Mein König, wir müssen fort!«, sagte ein vergleichsweise schmächtiger und schon sehr viel älterer Zwerg, der sich ein ganzes Stück hinter König Grabaldin aufhielt. »E s dürfte jetzt schon kaum noch möglich sein, die Oberfläche zu erreichen!«
»N a, seht Ihr, Meister Umbro, dann hat es ohnehin keinen Sinn, zu flüchten!«, knurrte Grabaldin. Der Zwergenkönig war bis auf die Zähne bewaffnet. Er trug ein Schwert auf dem Rücken und eine kürzere Klinge am Gürtel. In der Hand hielt er eine Streitaxt mit Doppelklinge, die im Vergleich zu der gedrungenen Gestalt des Zwergenkönigs schon eine fast monströs wirkende Größe hatte. Allerdings waren seine Arme so kräftig, dass er diese riesenhafte Waffe mit einer Leichtigkeit schwang, die einem menschlichen Beobachter wohl als schier unglaublich erschienen wäre.
In der Linken hielt er einen Buckler. Diesen nur tellergroßen Schild, der um die Faust herum einen »Buckel« formte, konnte man auf den Schwertgriff stecken. Abgesehen von der Abwehr von gegnerischen Angriffen konnte man ihn auch zum Austeilen von Fausthieben benutzen.
»V oran, ihr Schwächlinge!«, rief er den letzten Getreuen der Palastwache zu, die sich im Audienzsaal
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