Das Erbe Der Nibelungen
schlechte Nachrichten«, rief Calder erstaunlich gut gelaunt und schaute sich die Prinzessin dabei auffällig genau an.
Einer der Männer zog nun ein kleines bauchiges Gefäß aus Ton hervor, fast wie eine Öllampe. Er blies hinein, und ein sanfter Ton breitete sich im Tal aus. Zur Antwort kam kurz darauf ein zweiter, nur wenig höherer Ton.
»Was soll das bedeuten?«, fragte Sigfinn.
»Es bedeutet, dass alles in Ordnung ist«, erklärte Danain.
Calder breitete im Gehen die Arme aus. »Willkommen in Grenn, dem letzten freien Flecken im großen Kerker, den Hurgan sein Reich nennt!«
Brynja war überrascht, dass die Rebellen in einem kleinen Ort lebten, der kaum versteckt war. Gras und andere Pflanzen auf den Dächern der kleinen Hütten sorgten jedoch dafür, dass es von den höheren Lagen aus kaum zu sehen war. Genauso überrascht war sie, Kinder zu sehen,
Frauen und alte Männer. Calder fiel es auf. »Ich weiß nicht, was ihr euch erhofft hattet - wir sind kein Kriegsheer, nur ein armseliges Versteck vor den Pranken den Reiches. Woher wusstet ihr überhaupt von uns?«
»Ein kleinwüchsiger Mann namens Petar hat vom Sonnental erzählt«, sagte Sigfinn.
»Der Zwerg!«, rief Calder erfreut, und seine Männer grinsten. »Wie geht es ihm? Kann er die versprochenen Waffen bald liefern?«
Sigfinn wusste nicht, wie er die Wahrheit aussprechen sollte, und es brauchte nur zwei Sekunden seines Schweigens, dass Calder verstand.
»Oh«, sagte der Rebell. »Ist er wenigstens stolz gestorben?«
»Er wurde getötet, als er unser Leben rettete«, berichtete Brynja.
»Dann ehrt seine Tat durch Mut und Lebensfreude.« Calder klatschte in die Hände. »Heute Abend soll Gelegenheit dafür sein, wenn wir feiern.«
Die Jungfrauen, die ihm seine Krieger jeden Abend brachten, hatte Hurgan bereits aus seinem Schlafgemach geworfen. Geschändet und missbraucht waren sie nun gerade noch gut genug für seine Männer oder den Pöbel unten in der Stadt. Ihre straffen Körper und reinen Schenkel hatten seine mühsam erbrachte Lust schnell befriedigt und damit ihren Dienst getan. Nun lag er auf Seide und Nerz in seinem Bett, einen goldenen Kelch in der Hand, aus dem schwerer Wein auf den Boden tropfte.
Sein Körper alterte, aber er tat es langsam und ohne Schmerzen. Das war Teil des Handels gewesen, den er abgeschlossen hatte. Seine Muskeln waren noch hart und die
Augen klar. Doch innerlich verdorrte er, verkümmerte alles, was ihn an Leidenschaften je getrieben hatte.
Was gab es noch zu wollen, wenn man alles hatte? Manchmal dachte er daran, aus schierer Langeweile den Rest des Reiches zu zerstören, in manischer Perfektion jedes einzelne Leben auszulöschen. Und dann würde er sich auf den Thron setzen und die Jahrhunderte abwarten. In Stille - und Frieden?
Missmutig und trunken schüttelte er den Kopf. Ach was! Er war der unangefochtene Herrscher über das Reich, das die Nibelungen und die Götter ihm versprochen hatten. Er war König, Imperator, Schicksal.
»Deine Macht ist leer«, sagte eine leise Stimme, und bevor Hurgan reagieren konnte, drückte eine schlanke, starke Hand ihn an der Kehle auf das Bett. »Und endlich.«
Der Herrscher versuchte einen Blick auf die Angreiferin zu werfen, gegen deren Kraft er sich kaum wehren konnte. Ihr Gesicht näherte sich seinem - schwarze lange Haare umrahmten bleiche Haut und tote Augen.
»Sieh an«, krächzte Hurgan. »Du hast dich verändert. Ich erinnere mich an die Zeit, als wir Verbündete waren.«
»Nie Verbündete«, knurrte die Seherin. »Nur ein einziges grausames Mal mit gleichem Ziel. Damals war ich blinder als heute.«
»Was willst du?«
Ihre Stimme zitterte leicht. »Dich warnen. Hundert falsche Jahre waren genug, und deine Zeit läuft ab.«
»Du kannst mich nicht töten«, erwiderte Hurgan. »Du hast in dieser Welt keine Macht. Mag deine Hand an meinem Hals auch liegen - zudrücken wirst du niemals.«
Er hatte Recht, und die Seherin wusste es. »Es braucht mich nicht, dich zu strafen. Das hat es nie und wird es nie.«
Der König lachte rau. »Du meinst die drei Lichter? Das, was in dieser Zeit nicht sein sollte und trotzdem ist?«
Die Seherin ließ Hurgan los.
»Wir wissen davon«, sagte eine weitere Stimme aus dem Schatten in der Ecke des Raums.
Gadaric. Er war so lautlos erschienen wie die Seherin selbst, und sie hatte gehofft, ihm nicht zu begegnen.
»Du hast doch wohl nicht geglaubt, diese … Unannehmlichkeiten blieben unerkannt«, fuhr der Berater
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