Das Erbe der Pilgerin
der Mädchen hat irgendjemand Wichtiges getroffen«, mutmaßte Hansi.
Er war äußerst besorgt um Rüdiger, würde aber die Stellung halten. Die Bogenschützen gaben den wieder in die Stadt strömenden Kämpfern Rückendeckung.
»Doch wohl nicht Montfort?«, fragte einer der Kanoniere.
Die anderen lachten nur.
Kapitel 10
D ietmar und Sophia ritten gemeinsam zurück zum Château Narbonnais.
»Es war heute knapp«, sagte der junge Lauensteiner schließlich. »Nicht nur für Rüdiger, für jeden von uns. Es … es wird Zeit, heimzukehren.«
Sophia senkte den Blick. »Die Stadt ist doch belagert …«
Dietmar runzelte die Stirn. »Du weißt, dass man herauskommt, wenn man will.«
Sophia wollte fragen, ob dies nicht feige sei, aber dann fasste sie doch ihre wahren Gefühle in Worte. »Ich möchte ja weg. Aber ich hab auch ein bisschen Angst vor Lauenstein«, gestand sie. »Deine Mutter … meine Mutter … Die Ritter …«
Dietmar lächelte, als er ihr vor der Burg vom Pferd half.
»Meine Mutter kann endlich zurück nach Loches«, meinte er. »Und zu deiner wird uns noch etwas einfallen. Es wird ganz anders sein, als du es gewohnt warst mit den Rittern und der Burg. Lauenstein wird uns gehören, Sophia. Dir und mir. Du … du hast doch keine Angst vor mir, oder?«
Sophia schüttelte den Kopf und schmiegte sich in seine Arme.
»Ich habe keine Angst mehr«, sagte sie.
Abram und Miriam verließen den Gefechtsstand erst, als sich das Schlachtfeld wirklich geleert hatte.
»Der Graf sollte halbwegs zufrieden sein«, meinte Miriam und warf einen letzten Blick auf den zumindest angeschlagenen Turm der Belagerungsmaschine. Ariane war nicht so begabt wie Geneviève, aber die Kanoniere hatte sie dennoch übertrumpft. »Ich hoffe nur, dass Rüdiger am Leben ist.«
Abram nickte. »Aber lange hält Toulouse das nicht mehr aus. Miriam, Liebste … meinst du nicht, es wäre langsam Zeit, heimzukehren?«
Miriam nickte.
Abram blickte verwirrt zu ihr auf. Er hatte ihr eben auf ihr Maultier geholfen. »Kein Widerspruch?«, fragte er verwundert.
Miriam schüttelte den Kopf.
»Du meinst nicht, dass der Graf dich noch braucht? Du fühlst dich nicht mehr für einen Schwarm verwaister Burgfräulein verantwortlich?«
Miriam lächelte ihrem Gatten geheimnisvoll zu. »Ich bin zurzeit für jemand ganz anderen verantwortlich«, sagte sie. »Ich hab’s schon länger geahnt, aber der Medikus hat es gestern bestätigt.« Sie legte sanft die Hand auf ihren Leib.
Abram schaute völlig verblüfft, sein Gesicht verzog sich dabei auf so seltsame Art, dass Miriam sich das Lachen kaum verkneifen konnte.
»Ich weiß«, nahm sie ihm das Wort aus dem Mund, »ich bin fast vierzig Jahre alt, und ich habe noch nie empfangen. Wir dachten, ich bekäme keine Kinder. Aber nun … wer kennt die Wege des Ewigen? Jedenfalls würde ich es gern in Granada bekommen. Da sind die Hebammen besser – und es braucht nicht zu verbergen, dass es jüdisch ist.«
Geneviève bemühte sich, nicht voller Beklemmung an den Tag zurückzudenken, als man Flambert in den Rittersaal der Festung trug. Aber es war nicht zu leugnen, dass sie erneut einer Trage folgte, auf dem ein Mensch lag, den sie liebte. Und sie hatte sich nicht einmal die Zeit genommen, es ihm zu sagen.
Rüdiger von Falkenberg wurde von den Trägern auf dem nächstbesten freien Feldbett niedergelegt, und ein Bader kam, um sich um ihn zu bemühen.
»Den haben sie bös zerschlagen, Mademoiselle«, meinte der Mann. »Und die Messerstiche … da kann man nicht viel tun. Bleibt bei ihm, wascht ihn vielleicht ein bisschen, obwohl das natürlich umstritten ist. Und betet für ihn.«
Damit machte sich der Mann auf den Weg zum nächsten Patienten. Rüdiger stöhnte. Er war bei Bewusstsein, aber zu schwach, um mit Geneviève zu tändeln. Geneviève überlegte, ob er gern ihre Hand gehalten hätte. Sie hatte bislang nie einen Mann berührt – abgesehen von jener unseligen Nacht mit dem Grafen. Einer Parfaite war es verboten. Aber das war ohnehin vorbei.
Dann stand sie entschlossen auf und suchte den Medikus. Sie konnte Rüdigers Hand noch lange halten, aber seine Wunden mussten versorgt werden. Geneviève fand Salomon in einer seiner üblichen erbitterten Diskussionen mit einem der Bader. Seine Kleidung war wieder blutverschmiert, er wirkte erneut übermüdet und ausgebrannt.
»Ich wünschte, dies hätte ein Ende«, sagte er leise, als er Geneviève an Rüdigers Lager folgte. »Ich wünschte, ich könnte
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