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Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin

Titel: Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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versammelt hatte. »Beim ersten Licht des Tages steigen wir dann in die Berge hinauf. Nicht weit von hier, auf der anderen Seite des Pandaras, liegt die Kardalin-Schlucht. Sie gilt als unpassierbar, doch ich weiß, dass das nicht stimmt. Es gibt einen Weg hindurch. Aber wir müssen vorsichtig sein. Die Schlucht liegt bereits auf dem Gebiet der Uzoma, und auch wenn uns die steilen Felsen vor den Blicken ihrer Späher schützen, so bleibt es doch ein Wagnis.«
    »Gibt es dort einen Posten der Uzoma?«, wollte Feanor wissen.
    »Zunächst gibt es einen kleinen Vorposten der Vereinigten Stämme«, erklärte Bayard. »In Wilderwil achtet ein halbes Hundert Krieger darauf, dass kein versprengtes Uzomapack die Schlucht lebend durchquert. Danach …« Er machte eine bedeutungsvolle Pause, zog die Schultern hoch und meinte dann: »Wer kann schon sagen, wo die überall herumkriechen. Haltet die Augen offen, dann wird alles gut gehen. Nun aber vorwärts, solange es noch hell ist.«
    Sie marschierten durch die Wälder, bis die Sonne im Westen hinter den Horizont sank und man den Pfad kaum noch erkennen konnte. Als die Nacht mit den ersten Sternen heraufzog, wählte Bayard einen Lagerplatz auf einer kleinen, von hohen Fichten umgebenen Lichtung und entzündete ein Feuer, von dem er sagte, dass es das Letzte für viele Tage sei.
    An diesem Abend wurde nicht viel gesprochen. Alle waren von dem langen Marsch erschöpft und rollten sich nach einem sättigenden Mahl aus Käse, Brot und Speck sogleich in ihre Decken, um zu schlafen. Nur Ajana fand keine Ruhe. Obwohl sich jede Faser ihres Körpers nach Schlaf sehnte, blickte sie noch lange zum Himmel hinauf, wo sich die Sicheln der beiden Monde langsam über den Gipfeln der Berge erhoben; sie lauschte dem Knistern des Feuers und dem Schnarchen der Männer und hoffte darauf, dass der Schlaf irgendwann auch zu ihr käme.
    »Kennst du die Legende der Monde?« Maylea, die neben ihr lag, schien ihre Unruhe zu spüren, und rückte dichter an Ajana heran.
    »Nein.«
    »Erzählt man sich in deinem Volk denn nichts davon?«
    »Wenn, dann habe ich es wohl vergessen«, erwiderte Ajana ausweichend.
    »Soll ich dir unsere Mondlegende erzählen?«, fragte Maylea leise. »Früher habe ich sie immer meinen kleinen Schwestern erzählt, wenn sie nicht schlafen konnten. Sie ist nicht lang.«
    »Gern.« Ajana war für jede Abwechslung dankbar und drehte sich so, dass sie Maylea anblickte.
    »Zuerst war es der Feuerball, der am Himmel erschien«, hob Maylea zu erzählen an. »Ein mächtiger goldener Hirsch, der von Osten nach Westen in einem großen, feurigen Bogen über den Himmel sprang. Nachts folgte ihm eine silberne Hirschkuh, deren Schönheit jeden überwältigte, der das Auge auf sie richtete. Deshalb verbarg sie ihr herrliches Antlitz und zeigte sich nur selten in vollem Glanz.
    Sie liebte den goldenen Hirsch aus der Ferne, doch waren sie stets getrennt, und sie konnte nicht zu ihm gelangen. Schließlich hatten die Götter ein Einsehen und gestatteten es der Hirschkuh für einen Tag, ihrem Liebsten zu begegnen. Sie erschien früh am Nachmittagshimmel und eilte ihm nach.
    Als sie ihn erreichte, wurde es finster auf der Erde. Tag und Nacht vereinigten sich, und für eine Weile erstrahlten beide in einem magischen Licht, das sie wie ein flammender Ring umhüllte.
    Doch ihr Glück währte nicht lange. Schon bald mussten sie sich wieder trennen. Der Hirsch fuhr fort, bei Tag über den Himmel zu springen, und die Hirschkuh folgte ihm traurig in der Nacht.
    Doch irgendwann, verloren im Gedächtnis der Zeit, gebar die Hirschkuh ein Kitz von kupferner Färbung, das ihre Schönheit und die des goldenen Hirsches in sich vereinte.
    Lange folgt das Kitz der Mutter, doch dann löste es sich immer mehr von ihr und sucht nun im Gefolge der Hirschkuh nach seinem Vater.«
    »Das ist eine schöne Geschichte«, sagte Ajana und schaute zu den Monden auf, die auf ihrer Bahn über den Himmel ein winziges Stück weitergerückt waren. »Ob es ihn jemals finden wird?«, fragte sie und spürte plötzlich einen dicken Kloß im Hals.
    »Wen?«
    »Seinen Vater.« Ajana räusperte sich, damit Maylea nicht bemerkte, wie ihre Stimme bebte.
    »Bestimmt.« Maylea drehte sich um und zog sich die Decke über die Schultern. »Irgendwann bestimmt«, murmelte sie. »Wenn die Götter ein Einsehen haben.«
     
     
     
    Es war soweit.
    Faizah kauerte in der Nähe des großen Tores, als sich die Tür des schlichten Lehmziegelbaus öffnete, in

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