Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin
verlangen.«
»Wenn ihr mich fragt, sollten wir diesen Ort so schnell wie möglich verlassen«, meinte Abbas und richtete den Blick voller Trauer zurück. »Er ist voll von schmerzlichen Erinnerungen. Maylea …« Er schluckte schwer.
»Sie tat, was sie in ihrem Herzen für richtig hielt!« Inahwen legte ihm mitfühlend die Hand auf den Arm. »Ihr Mut hat uns und auch Nymath gerettet. Wir alle sollten uns ihrer in tiefer Dankbarkeit erinnern.«
»Das sind tröstliche Worte.« Abbas wischte eine Träne fort. »Und doch wünschte ich mir nichts sehnlicher, als sie jetzt hier bei uns zu wissen.« Er straffte sich, als wolle er die bedrückenden Gedanken verdrängen, und fügte düster hinzu: »Je schneller wir diesem Land mit all seinen Entbehrungen und furchtbaren Erinnerungen den Rücken kehren, desto besser. Niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass ich mich einmal so nach der Herdküche der Bastei und der guten alten Kelda zurücksehnen würde.«
»Du wirst sie wieder sehen.« Keelin lächelte. »Ich bin sicher, sie wartet schon sehnsüchtig auf deine Heimkehr. Aber du hast Recht. Das Wasser ist fast aufgebraucht, und die Vorräte gehen zur Neige. Die Talpungas werden auch immer unruhiger. Wir sollten sie bald freilassen. Ich werde Horus mit einer Nachricht ins Tal der Vaughn schicken, damit sie uns am Eingang der Höhlen erwarten und sicher zurückgeleiten.«
Ajana saß am Fluss, den Blick starr auf die feurige Nebelwand gerichtet. Hinter sich hörte sie die Stimmen der anderen, die sich hoffnungsvoll über eine baldige Rückkehr unterhielten, während die Talpungas wenige Schritte entfernt geräuschvoll das zähe Stachelgras wiederkäuten, das in einiger Entfernung vom Ufer des Arnad wuchs.
Die Gespräche und Geräusche strichen an Ajana vorbei, ohne dass sie es wahrnahm. Ihre Gedanken waren weit fort – zu Hause in Andrach. Sie erinnerte sich an den blühenden Garten und das vertraute Haus, das ihr Elternhaus gewesen war. Und wieder einmal rief sie sich die Gesichter derer in Erinnerung, die sie so schmerzlich vermisste. Wie von selbst wanderten ihre Gedanken zu all den kleinen Dingen des täglichen Lebens, denen sie so oft keine Beachtung geschenkt hatte und deren wahre Bedeutung sie erst schätzen gelernt hatte, als sie ihr verloren gingen.
Für immer verloren gingen!
Ajana schluckte schwer. Lange hatte sie die Bilder, die Vhara ihr in der Höhle gezeigt hatte, nicht wahrhaben wollen, doch tief in sich ahnte sie, dass die Hohepriesterin nicht gelogen hatte. Der Ulvars war verbrannt. Für sie gab es keine Hoffnung, jemals wieder nach Hause zurückzukehren.
Niemals wieder!
Ajana fühlte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen.
Seit sie nach Nymath gekommen war, war es ihr Bestreben gewesen, heimzukehren. Dafür hatte sie alles getan. Alles!
Ajana schaute auf die Nebelwand, und der Kummer wich einem tiefen Schuldgefühl. Nur deshalb hatte sie die tödlichen Nebel neu erschaffen, hatte selbstsüchtig alle Zweifel und Bedenken zur Seite geschoben, um die zweifelhafte Magie erneut zum Leben zu erwecken. Der Nebel war ein Ding wider die Natur, das allein dazu diente, ein unterdrücktes Volk noch länger und noch schlimmer leiden zu lassen.
Ajana seufzte betroffen.
Und ich trage die Schuld daran, dachte sie bei sich. Ich habe alles nur noch schlimmer gemacht, indem ich die Krieger von ihren Familien getrennt habe.
Sie schüttelte den Kopf und erinnerte sich daran, was sie nach dem Sandsturm zu Kruin gesagt hatte. »Noch ehe ich ins Tal der Vaughn zurückkehre, werde ich die Nebel zerstören«, hatte sie geschworen – und dazu war sie auch jetzt noch fest entschlossen. Sie würde das Unheil, das sie angerichtet hatte, wieder gutmachen, aber sie würde nicht ins Tal der Vaughn zurückkehren.
Auf dem Ritt von den Orma-Hereth hatte sie viel Zeit gehabt, darüber nachzudenken, was wohl geschehen mochte, wenn die Nebel nicht mehr über dem Arnad stünden. In Gesprächen mit Inahwen und Kruin hatte sie herauszufinden versucht, ob eine friedliche Verständigung zwischen den beiden Völkern möglich sein könne.
Kruin hatte ihr ohne zu zögern versichert, die Uzoma würden die Waffen ruhen lassen. Udnobe war zerstört, und sein Volk hatte durch den Krieg und die Schreckensherrschaft des dunklen Gottes große Verluste erlitten. Das Volk der Uzoma stand vor dem Nichts. Ohne die Nebel aber würden die Krieger zumindest zu ihren Familien zurückkehren und ihnen helfen können, ein
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