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Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)

Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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musste sich an alles erinnern. Sie dachte an ihren Geburtstag – den Tag, an dem ihre Großmutter ihr die Bernsteintriskele geschenkt hatte. Und sie dachte an die Unterhaltung, die ihr gestern wieder eingefallen war. Wer hatte sie aus dem Wasser gezogen? Ihr Vater oder ihre Großmutter?
    Und Mary? Hatte man ihr über die Geschehnisse dieses Tages je die Wahrheit erzählt?

K
apitel 25

    Cari und Marco schlenderten den Hügel hinunter. Im Gleichschritt, Seite an Seite, jedoch ohne einander zu berühren, was bei Cari ein angenehmes Prickeln auslöste. Immer wieder erhaschte sie hinter den mit Terrakotta-Schindeln gedeckten Dächern, terrassiert angelegten Gärten, Orangenbäumen und Springbrunnen einen Blick aufs Meer. Sie passierten üppige Gemüsegärten mit Erbsen, Bohnen und Strauchtomaten, spazierten an Töpfen mit Geranien, Oleandersträuchern und Lilien vorbei, die sowohl am Wegesrand als auch auf den Trockenmauern standen.
    »Das ist Tellaro«, sagte Marco, als sich die Straße zu einer großen Piazza öffnete. »Hättest du Lust auf einen Kaffee?«
    Cari kannte Italien inzwischen gut genug, um zu wissen, dass man sich, kaum hatte man eine Piazza erreicht, einen Kaffee gönnte. Und wie ließ sich die zurückhaltende Eleganz eines ligurischen Dorfes besser erspüren, als sich auf einer Piazza dem Rhythmus Italiens hinzugeben? »Gern«, antwortete sie.
    Sie nahmen neben einem Kübel mit Feuerlilien unter einem cremefarbenen Sonnenschirm Platz. Cari fiel auf, dass Marco sowohl den Kellner als auch einen rauchenden jungen Italiener in der Bar kannte. Das hieß, sofern es nicht Marcos Heimatstadt war – und seine Beschreibung deutete nicht darauf hin –, lag sie doch immerhin in der näheren Umgebung.
    Nachdem der Kaffee serviert worden war – ein starker, dunkler Espresso mit einem Hauch crema für ihn, ein sämiger Cappuccino für sie –, fragte Marco sie noch einmal nach dem Grund ihrer Reise nach Lucca.
    Cari rührte mit dem Löffel in ihrem Kaffee. Bisher hatte er sich sehr verständnisvoll gezeigt. Daher würde sie ihm alles erzählen. »Erinnerst du dich an Dorrie?«, fragte sie.
    Er nickte. »Certo.« Träge streckte er seine langen, mit Jeans bekleideten Beine aus und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Jede Regung in seinen Augen wurde von der dunklen Sonnenbrille verborgen.
    »Sie hat sich daran erinnert, dass Aurelia, meine Großmutter, nach Lucca gezogen ist.«
    »… und vielleicht immer noch dort wohnt?« Anders als Dan äußerte er sich aber keineswegs skeptisch.
    »Ja, gut möglich. Erinnere dich, kurz bevor meine Mutter starb, hatte sie mit ihr Kontakt aufgenommen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie noch lebt.« Cari lehnte sich zurück. Die Sonne schien ihr warm auf den Kopf.
    »Es ist nicht auszuschließen …« Er schien mit den Gedanken ganz woanders zu sein.
    Cari nippte an ihrem Cappuccino. »Also werde ich sie suchen müssen.«
    »Certo, sì, sì, certo« , sagte er und musterte sie eingehend.
    Sie holte tief Luft. Vielleicht konnte er ihr ja behilflich sein. »Fragt sich nur, wo ich anfangen soll.«
    Marco nahm eine Zigarette aus der Packung, zündete sie an und inhalierte genüsslich. »Ich werde darüber nachdenken«, antwortete er halb zu sich selbst.
    Cari wartete. Um auf andere Gedanken zu kommen, ließ sie den Blick über die Piazza mit ihren herrlichen Marmorplatten, den Mosaiken und den kurz vor der Blüte stehenden weißen und lachsfarbenen Oleandern in eleganten Kübeln schweifen. Diese Pflanzen fielen ihr immer wieder ins Auge. Sie säumten Straßenränder und Plätze, dienten sowohl privaten Gärten als auch Parks als Sichtschutz und Schmuck. Sie beschloss, Italien näher zu erkunden. Sie fühlte sich gewissermaßen verpflichtet, das Land zu erforschen, in dem sich ihre Großmutter eine neue Heimat geschaffen hatte. Das Land, das ihrem Eindruck nach möglicherweise sogar Teil ihrer Familiengeschichte war. Sein Reiz war ihr nicht verborgen geblieben, ja, sie hatte sich bereits ein wenig in dieses Land verliebt. Und was Marco betraf …
    »Aber warum ist es so wichtig, sie zu finden?«, fragte Marco schließlich. »Warum die Dinge aufrühren?«
    Cari sah ihn verständnislos an. Bis sie schließlich begriff. »Ach so, du meinst wahrscheinlich, Vergangenes aufwühlen, oder?«
    »Ja. Warum willst du alles von deinem Leben aufgeben …?« Er ballte die Faust und öffnete sie wieder. »Dein berufliches Vorwärtskommen, deinen Freund …«
    »Nein …« Cari wollte

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