Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)
machen, um mit ihr diesen bescheuerten Flug mit dem Helikopter zu unternehmen? »Wem gehört er?« Womöglich demselben Freund, dem das Haus gehörte? Ein weiterer mysteriöser Freund aus Marcos Umfeld?
»Diesem Freund«, antwortete er und grinste wieder. »Einem sehr guten Freund.«
Offensichtlich.
»Ich darf diesen kleinen Vogel fliegen, wann immer ich möchte.« Er versetzte dem Äquivalent des Armaturenbretts eines Autos einen Klaps, woraufhin im Bauch des Vogels irgendetwas bedrohlich schepperte.
Cari erinnerte sich plötzlich daran, dass er ihr etwas zeigen wollte. Und, etwas genauer, wie er es ihr zeigen wollte. »Und wohin würdest du …«
Sie wurde von dem Schwirren der Rotorblätter unterbrochen. Er hatte also tatsächlich den Motor angelassen. Der Krach vervielfachte sich. Demnach beabsichtigte er offensichtlich, irgendwohin zu fliegen. Und was sollte sie tun, gestrandet in einem fremden Haus, während ihr Chauffeur in einem klapprigen Flieger in eine Traumwelt abhob?
»Steig ein!«, rief er ihr über den Lärm hinweg zu.
Hielt er sie für lebensmüde? »Nein!« Zur Bekräftigung schüttelte sie den Kopf – bei dem Krach würde er sie ohnehin niemals hören können – und stampfte mit dem Fuß auf, um ihm erneut klarzumachen, was sie von alldem hielt. Sie war frustriert. Verärgert, verflucht noch mal. Das Kind in ihr drohte sich zu zeigen, um seiner Empörung Luft zu machen. Sie wollte keinen Vergnügungsflug in einem Hubschrauber machen. Sie wollte nach Hause … Wo immer dieses Zuhause sein mochte.
»Warum nicht?«, schrie er.
Blöde Frage! Sie näherte sich vorsichtig – bloß den Rotorblättern nicht zu nahe kommen, die die Luft zu zerschneiden schienen, einen unerhörten Sog erzeugten und einfach ihre Gedanken hinwegfegten. Staub wirbelte auf, sodass Cari froh war, ihre Sonnenbrille zu tragen. Der Druck in ihren Ohren nahm zu, und selbst ihr Kopf schien zu vibrieren. Oder war es bloß Migräne? Sie hätte sich das letzte Glas Prosecco wirklich besser verkneifen sollen.
»Wovor fürchtest du dich denn, Cari?«, schrie Marco und hielt ihr einen Sturzhelm mit Mikrofon entgegen. »Ich bin ständig in diesem Ding unterwegs. Es ist wirklich sicher.«
Cari zögerte.
Unvermittelt musste sie an Dan denken. Nie und nimmer würde er in so eine Maschine steigen – oder zumindest erst, nachdem er Marcos Fluglizenz geprüft und sichergestellt hätte, dass alles mit rechten Dingen zuging, ungefährlich und einwandfrei war. Das heißt, nicht einmal dann würde er sich dazu hinreißen lassen. Er würde sich nur in einen Helikopter setzen, wenn es sich um einen organisierten Ausflug handelte, sämtliche erdenklichen technischen Checks durchgeführt, jegliche Versicherungslücken geschlossen und alle nur möglichen unberechenbaren Umstände ausgeschaltet wären.
Und dann fiel ihr ihre Mutter ein. Tasmin hätte mit Sicherheit nicht eine Sekunde gezögert, in den Helikopter einzusteigen.
Und sie selbst, Cari? Wer war sie eigentlich? Welchen Weg wollte sie nehmen? Wollte sie eigentlich wissen, was Marco ihr zeigen wollte? Oder lieber nicht?
Sie zog den Kopf ein und näherte sich der Maschine. Ganz schön warm. Der Staub tanzte über dem Beton und der Grasfläche, die Rotorblätter über Caris Kopf malten einen milchigen Halo – beängstigend nahe. Sie duckte sich tiefer, schob die Haare aus dem Gesicht, um zu sehen, wo sie hintrat, und versuchte nicht an Anne Boleyn zu denken.
»Hier ist dein Helm«, rief Marco über den ohrenzerreißenden Lärm der Rotorblätter hinweg und reichte ihn ihr. Er deutete neben sich. »Setz dich dorthin. Schnall dich an, und halt dich an dem Griff fest!«
Das ließ Cari sich nicht zweimal sagen. Eingezwängt saß sie auf ihrem Platz. Die Knie auf Höhe des Kinns, die Schultern berührten ihre Ohren. Mit rauer, trockener Kehle, den schmerzenden Kopf in den Helm gezwängt, atmete sie tief ein und bemühte sich, vollkommen gelassen zu sein. Wenig später wandte sie den Kopf. Zu ihrer Rechten war nichts als Himmel. Beinahe hätte die Panik sie überwältigt. »Wo ist die Tür?«, brüllte sie in ihr Mikrofon.
Er fuhr zusammen. »Dort drüben.« Er wies auf den hinteren Teil der Startbahn – falls die heruntergekommene Piste überhaupt diesen Namen verdiente.
Caris Blick fiel auf einen Haufen Schrott. »Ach, du lieber Gott!«, stöhnte sie und klammerte die Hände noch fester um den Griff. Warum hatte sie sich darauf eingelassen? War sie denn vollkommen von
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