Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)
würde. »Woran arbeitest du gerade?« Sie warf einen Blick auf die Armbanduhr. Edward würde bald kommen.
Sie freute sich darauf, ihn zu sehen. Nun, da Dan außer Lebensgefahr war, stellte Cari fest, dass sie ihrer Rückkehr nach England auch gute Seiten abgewinnen konnte. Es hatte Spaß gemacht, sich mit Meg und Lauren über die neuesten Ereignisse auszutauschen. Laurens Tochter Jade war mittlerweile im Kindergarten, und Lauren hatte wieder angefangen, halbtags zu arbeiten; Meg hatte sich an der Universität von Sussex eingeschrieben, um ihren Magister in Alter Geschichte zu machen. Cari hatte den Eindruck, sich bereits sehr weit von ihnen entfernt zu haben. In ihrem Brautstudio hatte sie sich nützlich machen können, und außerdem war sie in ihrer kleinen Wohnung, die bei ihrer Ankunft so leer und trostlos gewirkt hatte, wieder heimisch geworden. Und ja, Edward häufiger zu sehen, hatte ihr überraschend gut getan. Wahrscheinlich, weil er der engste Freund ihrer Mutter gewesen war und somit ein Bindeglied zu Tasmin darstellte. Wenn Cari mit ihm über ihre Mutter sprach, konnte sie sicher sein, dass er sie verstand.
»Ich lasse es im Moment etwas ruhiger angehen, Liebes«, entgegnete Aurelia. »Um die Wahrheit zu sagen, habe ich nicht mehr gemalt, seit du weg bist.«
»Wirklich?« Das klang so gar nicht nach Aurelia. Cari verspürte einen plötzlichen Anflug von Sorge. »Ist alles in Ordnung?«
»Aber ja.« Die Antwort kam ohne Zögern, doch Cari war nicht überzeugt. Sie wollte wieder nach Italien, und zwar so schnell wie möglich.
Sie hörte das Zischen von Reifen auf der nassen Straße vor dem Haus und blickte nach draußen. Edward.
»Ich muss aufhören«, erklärte sie ihrer Großmutter. »Pass auf dich auf!«
»Du auf dich auch, Liebes«, antwortete Aurelia. »Komm bald zurück zu uns!«
Was könnte mich davon abhalten?, dachte Cari und legte auf.
Edward führte sie ins Le Gourmet, ein französisches Restaurant in einer Seitenstraße der North Street. »Ich dachte mir, dass du vielleicht für den Moment genug von italienischem Essen hast«, meinte er. Doch als er ihr Gesicht sah, fügte er hinzu: »Oder vielleicht kannst du es gar nicht erwarten, wieder hinzufahren?«
Cari lachte. War sie so leicht zu durchschauen? »Ich liebe französisches Essen«, versicherte sie ihm. »Aber du hast Recht. Ich kann es wirklich kaum erwarten.«
»Ich hätte dich nicht zurückrufen sollen.« Edward setzte seine schmale Lesebrille auf und begann die Speisekarte zu studieren. »Ich habe nicht gewusst, wie die Dinge zwischen dir und Dan stehen.«
Auch mit siebzig wirkt er immer noch recht flott, dachte Cari. Eher wie ein Künstler als ein Geschäftsmann. Wie eh und je trug er einen leicht verknitterten Leinenanzug, ein italienisches Seidenhemd und Lederschuhe. Sein graues Haar war modisch geschnitten, die blauen Augen waren immer noch scharf und von Lachfältchen umgeben, wie früher, als sie klein war und ihre Mutter sie in die Galerie mitgenommen hatte. Sei jetzt leise! Mach keinen Lärm! Fass nichts an!
Die Galerie war ihr als ein kalter, weißer Ort erschienen, voller Bilder, auf denen oft nichts Konkretes zu erkennen war. Eine Art verbotenes Terrain. Einziger Lichtblick war Edward gewesen, der sich zu ihr hinuntergebeugt, sich mit ihr unterhalten und ihr manchmal ein Eis gekauft hatte.
Sie kann auch ganz gut mal eine Stunde still sitzen, ohne dabei ständig unterhalten zu werden , war Tasmins Meinung gewesen. Edward hatte nur gelächelt und Cari Papier zum Zeichnen gegeben.
Sie fragte sich, warum er nie geheiratet hatte. Tasmin hatte immer gesagt, er sei mit seiner Galerie verheiratet, und auch bisher gab es keinerlei Anzeichen dafür, dass er sich zur Ruhe setzen wollte, obwohl er mehr und mehr Arbeit an seine Mitarbeiter delegierte. In gewisser Hinsicht ist er ein Einzelgänger, dachte Cari. Nicht einsam, aber selbstgenügsam. Vielleicht füllte die Galerie ihn völlig aus.
Er schaute sie über den Rand der Brille hinweg an. »Aber Dan hatte offenbar nach dir verlangt. Seine Familie war ganz aufgelöst.«
Das konnte sich Cari lebhaft vorstellen. Was Dan auch brauchte oder glaubte zu brauchen, musste unter allen Umständen herbeigeschafft werden, auch wenn es sich dabei um eine nach Italien entschwundene Exfreundin handelte. Sie konnte ihnen jedoch kaum einen Vorwurf machen. Dan war wirklich sehr krank gewesen. »Es ist schon gut, dass ich zurückgekommen bin. So kann ich mich wenigstens mit ihm
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