Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)
Podestà, das Bürgermeisteramt, das in einem ehemaligen Renaissance-Schloss untergebracht war.
Nachdem Elena Aurelia mit einer Salve italienischer Wendungen überschüttet hatte, eilte sie in die Kirche, nicht ohne sich am Portal zu bekreuzigen.
»Sie ist gleich zurück.« Aurelia seufzte tief, ließ sich auf einer der Holzbänke am Rand der Piazza nieder und klopfte mit einem Blick auf Cari einladend auf die Bank. »Alles in Ordnung, Schätzchen?«
»Oh, ja!« Vielleicht sollte sie Aurelia fragen. Warum malst du nicht? Und: Wie lange wirst du diesen grässlichen, förmlichen Ton zwischen dir und dem Mann ertragen, mit dem du dein Leben teilst? Sie hatte sich sehr über die Veränderungen in La Sirena gewundert.
Doch bisher war ihre Großmutter jeder Frage ausgewichen.
Nun gut. Cari streckte sich aus und legte den Kopf so weit in den Nacken, dass ihr Gesicht der Abendsonne zugewandt war. Nein, unbeschwert fühlte sie sich keineswegs. Wie lange würde sie brauchen, um die Sache mit Marco zu überwinden? Mit ihm darüber zu reden, wäre bereits eine Erleichterung … Darüber hinaus war sie in Gedanken bei Carmellas Hochzeitskleid – auch das bereitete ihr Kopfzerbrechen, raubte ihr aber nicht den Schlaf.
Die Familie hatte mit Carmella gesprochen, hatte Elena berichtet, während sie den Zitronentee aufbrühte. Sie hatten ihr den Kopf zurechtgerückt.
Wunderbar!, hatte Cari gedacht. Was wird das Ergebnis sein?
Scharlachrot komme unter keinen Umständen in Frage, fuhr Elena fort und schnitt eine Zitrone in Scheiben, als sei es ihr wirklich ernst. Darüber gab es keine weitere Diskussion. Scharlachrot weckte … Assoziationen.
Cari wartete darauf, dass diese Assoziationen benannt wurden, aber es blieb ihrem Vorstellungsvermögen überlassen, obgleich Elenas Äußerung ahnen ließ, dass sie Scharlachrot mit flatterhaften Frauen in Verbindung brachte.
»Carmella wird in Weiß heiraten«, erklärte Elena schließlich und stellte Caris Becher mit Nachdruck auf den Gartentisch. »Weiß ist gut, entspricht der Tradition, ist rein.«
Cari fragte sich, ob Carmella diese drei Merkmale tatsächlich erfüllte. Sie hatte da so ihre Zweifel. Und was sollte sie nun mit dem scharlachroten Stoff und all den Accessoires tun, die sie in Genua gekauft hatte?
»Wir werden dir die Ausgaben natürlich ersetzen«, fuhr Elena fort. »Aber, Cari, könntest du noch mal von vorn anfangen?«
Na gut, dachte Cari. Italien ist nun mal ein anderes Pflaster. Vermutlich ist dieses Land noch nicht reif für eine Hochzeit in Scharlachrot. Dafür hatte sie immerhin Arbeit. »Selbstverständlich«, hatte sie geantwortet. »Überhaupt kein Problem.« Sollte eine Kundin sie wieder einmal fragen, welche Farbe sie für ihr eigenes Hochzeitskleid wählen würde, würde sie den Mund halten.
Elena eilte noch schneller aus der Kirche, als sie hineingeeilt war. »Aurelius hatte Lucia einen besonderen Talisman geschenkt«, fuhr sie fort, als sei sie gar nicht weg gewesen. »Zu ihrem Schutz während der Schwangerschaft mit seinem Kind.« Sie setzte sich zu ihnen auf die Bank. »Doch leider ist sie bei der Geburt gestorben.«
»Haben die Bianchis ihm denn nie verziehen, dass er sie geschwängert hat?«, fragte Cari. Es war doch nicht sein Fehler gewesen. Viele Frauen sind früher bei der Geburt gestorben, unabhängig von ihrer Konstitution.
Elena tippte sich an den Kopf. »Sie hatten Streit gehabt«, sagte sie dunkel. »Immer gibt es Streit um Geld, nicht wahr?« Sie wandte den Blick auf die Piazza und die vereinzelten Mandelbäume, die jeweils von einem Ring grauer, kleiner Steine eingefasst waren. Einen Augenblick wirkte Elena vollkommen gedankenverloren.
Cari zuckte die Schultern. »Vermutlich …«
»Lucia hatte einen Sohn zur Welt gebracht, musst du wissen. Und das machte die Eigentumsfrage des Talismans schwierig. Tja …« – Elena streckte die Arme aus – »… damit hat alles begonnen.«
Cari hatte den Eindruck, nun kein bisschen klüger zu sein als zuvor. »Aber all das liegt doch Jahrhunderte zurück«, warf sie ein. »Meinst du nicht, dass sich mittlerweile niemand mehr daran erinnert?«
Elena warf ihr einen unfreundlichen Blick zu. »In Italien wird nicht vergessen. Wir warten ab, planen, überlegen, und dann …« – sie schlug mit einer Hand auf die Bank, sodass Aurelia und Cari erschrocken aufsprangen – »und dann kommt der Augenblick unserer Rache!«
»Und was ist dann geschehen?«, hakte Aurelia freundlich nach. »Haben die
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