Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)
Bianchis Rache genommen?«
Diese Frage schien Elena etwas ungelegen zu kommen. Hastig erhob sie sich. »Wir sollten weitergehen.«
Cari und Aurelia wechselten einen Blick. Das klang, als wäre es ziemlich kompliziert.
Sie verließen den Platz auf der gegenüberliegenden Seite, in Richtung Elenas Villa, die der Familie seit Generationen gehörte, was sie gleich zu Beginn ihres Spaziergangs stolz verkündet hatte.
»Und wie sah die Rache aus?« Aurelia ließ nicht locker.
Elena drückte das schmiedeeiserne Tor auf, und Cari eilte ihr zu Hilfe. Elena wirkte zu schwach, um es allein öffnen zu können, aber Cari hatte sich getäuscht. Eine Frau aus Stahl.
»Die beiden Familien waren tief in Schmuggeleien verwickelt.« Elena wedelte mit der Hand, als wäre das vollkommen normal und legal. »Sie waren natürlich Rivalen.«
»Natürlich«, murmelte Aurelia und lächelte.
»Eines Tages fand eine Razzia statt.« Elena schloss das Tor wieder.
»Du lieber Himmel!«, murmelte Aurelia. »Und was geschah dann?«
Elena warf das Haar in den Nacken. »Zwei Leute der Bianchi-Gang wurden getötet. Der Rest rannte davon. Die Zöllner verfolgten sie. Ein echtes Drama – schrecklich!«
Cari und Aurelia lauschten atemlos. Das Ganze klingt wie eine Mafiageschichte, dachte Cari.
Sie spazierten über die mit Mosaiksteinen angelegte Zufahrt zu Elenas Villa mit ihren Balustraden und Balkonen und den prächtigen weißen Sommerblumen. Die vordere Terrasse hingegen wurde von Zitronenbäumen eingegrenzt, die einen intensiven Wohlgeruch verströmten.
»Mein Bruder war auch darin verwickelt«, fuhr Elena fort. »Er war sehr viel älter als ich und besaß etliche Verbindungen. Er hat viel Zeit auf See verbracht.« Sie seufzte tief. »Er konnte der Razzia entgehen, war sich aber sicher, dass die Timpones den Zöllnern Informationen geliefert hatten«, fuhr sie fort und ballte die Hände zu Fäusten, als würde sie den Kampf zu gern hier und jetzt wiederaufnehmen.
»Aus welchem Grund sollten denn die Timpones den Zöllnern helfen?«, fragte Aurelia stirnrunzelnd.
»Geld?« Elena schien fest davon überzeugt zu sein, dass das Geld die Wurzel allen Übels ist. »Oder aber der tiefsitzende Hass der Familien.«
Cari schauderte es. Marco war ein Timpone und damit Teil all dessen. Allmählich verstand sie die Abneigung der Bianchis gegenüber Marco.
»Es gibt ein Indiz, das die Theorie meines Bruders stützt«, sagte Elena. »Ein Mitglied des Timpone-Clans ist dabei beobachtet worden, dass er unter äußerst verdächtigen Umständen im Schutz der Dunkelheit einen Zöllner getroffen hat.« Elena war laut geworden und beschleunigte nun ihre Schritte, als sie sich der Villa näherte. Sie wirkte äußerst aufgewühlt. Ein ziemlich häufiger Gemütszustand hier in Italien, so erschien es Cari. Ob all die Aufregung Elena guttat? Vielleicht wäre es tatsächlich besser, die Vergangenheit ruhen zu lassen.
»Und, wie hat er reagiert?« Aurelia keuchte, weil sie sich bemühte, mit Elena Schritt zu halten.
Mit verzerrtem Gesicht wandte Elena sich blitzschnell um. »Er ist auf die Timpones losgegangen. Er hat sich Giorgio Timpone vorgeknöpft und ihm die Meinung gesagt!«
Die drei Frauen blieben abrupt stehen. Cari stellte sich die zwei streitenden Männer vor. Giorgio Timpone, der Ältere, arrogant und gelassen; Elenas Bruder, der Jüngere, ein verärgerter Hitzkopf. Hatten sie gegeneinander gekämpft?
Elena fasste sich wieder und schob nun den schweren Schlüssel in das Schloss der vorderen Eingangstür. Cari begriff nicht, weshalb sie sich die Mühe machte, da ohnehin sämtliche Türen, die in den Garten führten, offen standen. Vermutlich waren Sicherheitsvorkehrungen in einem Dorf wie diesem, in dem jeder jeden kannte, kein Thema. Und vielleicht diente der Schlüssel Elena nur dazu, dieses wunderbare Gefühl zu genießen, eine derart schöne, alte Villa zu besitzen.
»Ich weiß nicht, was sich zwischen ihnen zugetragen hat«, erklärte Elena. »Ich wäre allerdings erstaunt, sollte mein Bruder seine Rache nicht bekommen haben. Aber …«
Cari und Aurelia traten näher, damit ihnen kein einziges Wort entging.
»Kurz darauf ist er in See gestochen.« Sie schwieg. »Und nie mehr zurückgekehrt.«
Aurelia schnappte nach Luft. »Du meinst also, die Timpones …?«
»Ich weiß nicht, was ich denken soll.« Elena betrat achselzuckend das Haus. Die Fensterläden waren geschlossen, die Eingangshalle lag im Dunkeln – eine wahre Erleichterung nach
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