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Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)

Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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niemanden ermordet hatten – und schon gar nicht Antonio, ihren Urgroßvater.
    »Gut möglich.« Elena neigte den Kopf. »Vielleicht haben wir … wie nennt man das …?«
    »… vorschnell geurteilt?«, warf Aurelia ein und schloss einen Moment die Augen. Jeder machte sich in dieser Hinsicht schuldig.
    »Vielleicht«, fuhr Elena fort, »ist unsere Familie durch diese Fehde inzwischen ausreichend bestraft.« Sie legte eine Hand auf Caris kastanienbraunes Haar, als wolle sie sie segnen. »Du hast Recht, poveretta . Es ist an der Zeit, die Vergangenheit ruhen zu lassen.«
    »Ich bin ganz deiner Meinung. Wenngleich Antonios Tod nicht unbedingt eine Strafe war, meine Liebe«, entgegnete Aurelia mit Nachdruck. »Er war Matrose. Er hat ein abenteuerliches, gefährliches Leben geführt.« Wer hätte das jemals erwartet? Ihr Vater – war nicht Hugh! Deshalb hatte Hugh sich nie um sie gekümmert – hatte kein einziges Mal auch nur eine Geste der Liebe oder Zuneigung offenbart. Der Mann, der ihre Kindheit dominiert hatte, eine Kindheit voller Verbote, Intoleranz und Gewalt. Stattdessen war ein romantischer und geheimnisvoller Mann ihr Vater gewesen. Ein Mann, der ihre Mutter liebte und – wenngleich zu spät – zurückgekehrt war und Anspruch auf sie erhoben und Aurelia seine letzte Habe anvertraut hatte: die Bernsteintriskele.
    Elena nickte traurig. »Du hast natürlich Recht. Aber das war nicht der einzige vorzeitige Todesfall innerhalb unserer Familie. Catarina …«
    Aurelia zuckte zusammen. Was war mit Catarina? Elena sprach so selten von ihrer Schwester. Du meine Güte … Schlagartig wurde es ihr bewusst. Auch Catarina war ihre Tante! Aurelia hatte das Labyrinth angelegt, hatte die Oleanderbüsche und den üppigen Sternjasmin gepflanzt, von dem sie auch jetzt umgeben waren – nicht nur für Enricos verstorbene Frau, sondern auch für ihre eigene Familie. Erschöpft sank sie auf die Bank aus Olivenholz mit den starren Armlehnen.
    »Auch sie ist zu früh gestorben«, fuhr Elena fort.
    Unvermindert liebkoste die Nachmittagssonne Aurelias Gesicht, obgleich der Teich bereits zum Teil im Schatten lag. Aurelia sah den Fischen zu – golden schimmernden schmalen Silhouetten – und dachte an das Gedicht, das Stefano ihr gezeigt hatte. Duftet sonndurchglühtes Gold. Sie musste unbedingt die Wahrheit erfahren. »Wie ist sie gestorben, Elena? Und warum?«, fragte sie vorsichtig.
    Elena wandte sich ihr zu. Ihr müdes Gesicht, die gebräunte Haut, im Licht des Nachmittags dünn wie Papier und runzlig, ließ sie alt und erschöpft aussehen. »Catarina war sehr krank«, murmelte sie. »Hat Enrico dir nicht davon erzählt?«
    Aurelia schüttelte den Kopf. Nichts hatte er ihr erzählt. In der Ferne war das Motorengeräusch eines Autos zu vernehmen, ein Brummen, das näherkam, lauter wurde und wieder verebbte.
    »Das ist also der Grund eures Problems.« Elena tätschelte ihr die Hand. »Er hat sie nur schützen wollen«, erklärte sie, »vor dem Dorfklatsch – du weißt doch, wie die Leute sind.«
    Aurelia war tief getroffen. Sie entzog Elena die Hand. Aber sie gehörte nicht zu den Klatschtanten im Dorf. Sie war seine Gefährtin – die Frau, mit der er zusammenlebte, die Frau, die er lieben sollte. Hatte sie keinen Anspruch darauf, die Wahrheit zu erfahren?
    Elena schien nichts zu bemerken. »Und Stefano …« Sie blickte über den mittlerweile fast vollständig im Schatten liegenden, stillen Teich hinweg. »Stefano war ein sensibles Kind, und Enrico war streng darauf bedacht, dass sich der arme Junge für das, was geschehen war, nicht verantwortlich fühlte.«
    »Weshalb hätte er das tun sollen?« Aurelia war verwirrt. Nach dem, was sie jetzt erfahren hatte, sollte sich vielmehr Enrico verantwortlich fühlen.
    Elena seufzte hörbar und setzte sich bequemer hin. »Nach Stefanos Geburt litt Catarina unter einer ernsten postnatalen Depression«, erklärte sie. »Anders als heutzutage fanden solche Symptome damals keinerlei Beachtung.« Sie seufzte. »Doch ich wurde das Gefühl nicht los, dass mehr dahintersteckte. Sie schien wie verwandelt zu sein, litt unter Halluzinationen, war kaum in der Lage, sich um den Jungen zu kümmern, sagte seltsame Dinge …«
    »Seltsame Dinge?« Aurelia fiel wieder ein, was Maria ihr erzählt hatte.
    »Na ja, ziemlich seltsame Dinge eben.« Elena presste die Falten ihres Kleides fester an den Körper, als könne sie sich auf diese Weise vor übler Nachrede schützen.
    »Enrico war allerdings sehr

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