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Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)

Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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dem Weg zum Haus erzählt, das ein wenig abseits vom Dorf lag und das man nur über einen finsteren, von Brombeergestrüpp überwucherten Pfad erreichte, der von einer der Seitenstraßen des Marktplatzes abzweigte. »Sie hat das Haus schon lange nicht mehr verlassen.«
    Saras trübe Augen starrten blicklos auf Cari.
    Cari trat noch einen Schritt vor, obwohl das Misstrauen der alten Frau eine unsichtbare Wand zwischen ihnen bildete. Seit Jahrzehnten mochte es bereits an ihr nagen, verstärkt durch die Isolation, in die sie sich begeben hatte. Ihr Misstrauen hatte sich auf ihren Enkel übertragen, der seit mehr als einem Jahr die Spur der Bernsteintriskele verfolgt und verzweifelt versucht hatte, seiner Großmutter das zurückzugeben, was sie als ihr rechtmäßiges, vom Schicksal bestimmtes Eigentum betrachtete.
    »Was ist es?« Ihr Atem ging schwer.
    »Die Bernsteintriskele.« Mit zusammengepressten Lippen ging Cari noch einen Schritt auf Sara zu und legte ihr die Kette um den runzligen Hals. Sara war so angespannt, dass Cari beinahe fürchtete, die zerbrechliche Frau könnte im nächsten Moment zusammenklappen.
    Cari trat zurück. Nun war der Anhänger fort.
    Sara fasste mit der gleichen ehrfürchtigen und besitzergreifenden Geste wie Marco nach dem Talisman. Sie schaukelte in ihrem Stuhl und bewegte dabei den Kopf hin und her. Vielleicht konnte sie noch gar nicht glauben, dass sie ihn nach all den Jahren endlich in der Hand hielt. »Warum hast du ihn mir gebracht?«, zischte sie. »Du bist doch eine Bianchi!«
    Cari verzog das Gesicht. »Sieht ganz so aus.« Sie blickte zu Marco hinüber, der mit dem Rücken zum Fenster im Zwielicht stand, das Gesicht im Schatten. »Aber da ich nun die ganze Geschichte über die beiden Familien gehört habe, bin ich der Ansicht, die Triskele gehört Ihnen.« Obwohl sie bereits ein Gefühl von Verlust empfand. Schließlich war der Anhänger auch innerhalb ihrer eigenen Familie weitervererbt worden. Nur über eine kurze Zeitspanne, aber immerhin von Aurelia an Tasmin und schließlich an sie selbst.
    Sara blinzelte teilnahmslos, als koste sie jede Bewegung Mühe.
    Cari vermutete, dass es bei diesem Zwist nie um logische Argumente gegangen war. Daher setzte sie zu einer Erklärung an. »Ursprünglich hat Aurelius Timpone sie gekauft«, fuhr sie fort. »Das ist doch richtig?«
    »Einhundertzwanzig Schwerter und sechzig Dolche«, intonierte Sara.
    Bitte? Cari warf Marco einen fragenden Blick zu.
    »So viel hat er dafür bezahlt«, erklärte er. »Heißt es jedenfalls.«
    »Er war reich«, fügte Sara hinzu. »Ein Edelmann – Aurelius der Güldene.«
    »Das ist die Bedeutung seines Namens«, ergänzte Marco. »Aurelius und Aurelia – der Goldene, die Goldene oder auch Güldene.«
    Sara schaukelte langsam vor und zurück. »Auch Bernstein ist ein Geschenk der Töchter der Sonne.«
    Töchter der Sonne? Wieder musste Cari passen.
    »Der Sage nach sind Bernsteine die versteinerten Tränen der Heliaden«, erklärte Marco. »Weil Bernstein durchsichtig ist, ein warmes Leuchten von ihm ausgeht und er beim Verbrennen einen himmlischen Duft verströmt. Die Heliaden bezeichnet man auch als Töchter der Sonne.«
    »Verstehe.« Na ja, beinahe. Natürlich stellte Bernstein etwas Besonderes dar. »Bernstein war wertvoll …«
    »Für medizinische und spirituelle Zwecke, ja«, sagte er. »Die Stämme benutzten ihn als Zahlungsmittel, und die Römer gaben sich nur mit den erlesensten Stücken zufrieden.«
    »Aber Lucia hat er nicht geholfen.« Cari fühlte sich gezwungen, noch einmal darauf hinzuweisen.
    Aus dem Schaukelstuhl hörten sie Sara zischen: »Das Kind hat gelebt.«
    »Aber es war ein Junge.« Marco verschmolz wieder mit den Schatten.
    »Und die Dreifachspirale?«, fragte Cari. »Was hat sie damit zu tun?«
    Sara winkte sie näher. »Der Güldene ließ den Stein schließlich in Silber fassen und die keltische Triskele eingravieren, zum Gedenken an seine Frau und um ihre Seele zu befreien.«
    Cari war fasziniert. »Wie ist das möglich?«, fragte sie verhalten.
    Sara ließ sich mit der Antwort Zeit. Als sie schließlich dazu ansetzte, sprach sie so leise, dass Cari sich dicht zu ihr hinüberbeugen musste.
    »Die Triskele ist ein Symbol für eine Pilgerreise und für spirituelles Wachstum. Drei Spiralen, drei Reisen, die jede Frau unternehmen muss.«
    »Drei Reisen?« Cari hatte das Gefühl, mit dieser Frau allein im Raum zu sein. Sara schien ein uraltes Wissen zu besitzen, und Cari wollte daran

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