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Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)

Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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»Enrico? Was um alles in der Welt machst du denn hier?«
    Er prustete, schwamm mit ein paar Zügen auf sie zu, ruderte mit den Armen, den Hals gereckt, den Kopf entschlossen über Wasser haltend. »Was glaubst du wohl, was ich mache? Wir sind im Meer! Huh!«, entgegnete er atemlos. »Ich schwimme …«
    »Aber …« Sie paddelte ihm entgegen. Er schwamm nie. So gut wie nie.
    »Ich wollte zu dir«, japste er. »Wollte …« – er spuckte Wasser – »… mit dir reden.« Im selben Augenblick ging er erneut unter, tauchte jedoch wieder auf und sagte etwas, das einem Glucksen ähnelte.
    »Enrico!« Aurelia übernahm die Führung. »Schwimm dorthin, da ist es seichter! Und dann zurück zu den Felsen!« Sie deutete in Richtung Ufer. »Und sprich nicht!« Zumindest nicht jetzt, fügte sie im Stillen hinzu.
    In Zeitlupe bewegten sie sich auf die Felsen zu. Immerhin hielt Enrico den Kopf nun über Wasser. In der Ferne erkannte Aurelia die schmalen, nebeneinander aufgereihten, in Safran-, Ocker- und Kurkumatönen getünchten Fassaden der in Tellaros Felsen hineingebauten Häuser sowie die dahinter aufragende Barockkirche. Vermutlich sah Enrico von alldem nichts.
    »Huh …!« Enrico stieg aus dem Wasser und setzte sich auf den Fels, um wieder zu Atem zu kommen. »Weshalb schwimmen die Menschen bloß im Meer?«, fragte er hustend und spuckend. »Das Meer ist für Fische, nicht für Menschen gedacht.«
    Lachend klammerte sich Aurelia an eine der glitschigen Klippen. »Du bist das beste Werbeplakat für das Fremdenverkehrsgewerbe!«, sagte sie neckend.
    »Puuh.« Er streckte ihr die Hand entgegen und half ihr aufs Trockene. Kaum hat er wieder festen Boden unter den Füßen, übernimmt er schon wieder die Führung, dachte Aurelia.
    »Du bist zu ungeübt, um so weit rauszuschwimmen«, erklärte sie ihm. Die Erfahrung, die sie selbst vor nicht allzu langer Zeit gemacht hatte, steckte ihr noch in den Knochen. Heute war sie seit langem zum ersten Mal wieder hinausgeschwommen. Vielleicht weil sie heute so viel ergründet hatte und nun auch die Tiefe nicht mehr scheute. »Dort draußen ist eine tückische Strömung«, warnte sie ihn.
    Die dichte Behaarung auf seiner dunklen Haut wirkte wie angeklebt. Sie waren beide tropfnass, erschöpft und irgendwie verändert. Enrico war immer noch ein gut aussehender Mann – breitschultrig und schmalhüftig. Sie sah abrupt weg. Sie war – wie lächerlich! – plötzlich richtiggehend schüchtern.
    »Aurelia …« Ernst betrachtete er sie. » Come stai? Alles in Ordnung?«
    »Mit mir?« Sie zögerte. »Ja, ja, alles wunderbar.«
    Nach einer Weile hatte sich sein Atem beruhigt. »Na ja …« Er griff nach ihrer Hand. »Es war beinahe ein Schock für mich. Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich zwei Bianchifrauen geliebt habe.«
    Geliebt habe? Liebe? Elena hatte also bereits mit ihm geredet. Aurelia betrachtete die Hand, die ihre Hand umschlossen hielt. Groß, braungebrannt, kräftig, der Handrücken zart behaart. Plötzlich wurde ihr klar, dass er ihre Hand schon lange nicht mehr so gehalten hatte.
    »Weshalb hast du mir nicht die Wahrheit über Catarina sagen wollen?«, fragte sie ihn. Das Wasser auf ihren Armen und Beinen teilte sich in kleine Tropfen, die bereits in der Sonne trockneten.
    »Ich habe mir Vorwürfe gemacht.« Er sprach jetzt sehr leise. »Im Dorf hat es so viel Gerede gegeben – du kannst es dir nicht vorstellen: Getuschel, seltsame Blicke, diese Feindseligkeit …«
    »Und doch bist du geblieben.« Sie drückte seine Hand. »Du hättest fortgehen können. Aber du hast dich entschieden zu bleiben.« War das mutig – oder dumm?
    »Ich musste auf Stefano Rücksicht nehmen«, antwortete er ausdruckslos. »Hier ist sein Zuhause. Ich musste ihn doch schützen. Nach dem Tod seiner Mutter konnte ich nicht auch noch seine Wurzeln kappen. Ebenso wenig hätte ich mein Geschäft aufgeben dürfen, nicht wahr?«
    Aurelia begriff. Sie tauchte den Fuß erneut ins Wasser und ließ ihn über den rutschigen Fels gleiten. »Das muss alles sehr schwer für dich gewesen sein.«
    Er nickte beifällig. »Ich habe dir nichts davon erzählt, weil … Ich wollte nicht darüber sprechen. Ich fürchtete, dass auch du mich dafür verantwortlich machen würdest. Außerdem hatte ich Angst, du würdest dich von dem Dorfklatsch beeinflussen lassen.«
    Womit er Recht hatte. Doch hätte er es ihr gleich zu Anfang aus seiner Sicht erzählt … hätte sie ihm vermutlich nicht geglaubt.
    »Elena und ich

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