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Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)

Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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unmerklichen Nicken. »Und für uns?«, fragte er herausfordernd.
    »Wäre es auch nett«, wiederholte Aurelia und versuchte, überzeugend zu klingen. Doch noch während sie es aussprach, erschienen vor ihrem inneren Auge düstere Bilder von Zigarettenkippen im Kräuterbeet, Rotweinflecken auf den Terrassenfliesen und aufgeweichten gefüllten Zucchiniblüten im Pool.
    »Es wäre fürchterlich«, lautete die knappe Antwort. »Ziemlich fürchterlich.« Er sah auf seine Uhr, und genau in diesem Moment ertönte das erste Klingelzeichen, um das Ende der Pause anzukündigen.
    Aurelia griff nach seiner Hand. Da diese Geste für sie eher ungewöhnlich war, blickte er erstaunt nach unten. »Ich weiß, wie viel dir La Sirena bedeutet«, sagte sie. Sie trug ein zierliches goldenes Armband und einen Ring in Filigranarbeit, deren Wirkung allerdings ein wenig durch die verblassten Überreste eines großen blauen Farbkleckses auf ihren Knöcheln geschmälert wurde. Seine Hand war braungebrannt, die Haut ledern – auch wenn Enrico derjenige war, der die Anordnungen erteilte, so hatte er sich doch nie gescheut, beim Schneiden und Ernten in seinem hochgeschätzten Olivenhain mit anzupacken.
    »Wirklich, Aurelia?« Er klang skeptisch.
    »Ja.« Sie dachte an ihre erste Begegnung in dem Reisebüro, das sie zusammen mit ihrer Freundin Ruth in Lucca geleitet hatte. Ruth, bei der er bereits einige Reisen nach London gebucht hatte, hatte sie einander vorgestellt.
    »Aurelia?« Er hatte fassungslos gewirkt. »So heißen Sie?«
    »Ja.« Noch nie hatte ihr Name solch eine Reaktion hervorgerufen.
    Stirnrunzelnd hatte er Aurelias zahlreiche Skizzen und Aquarelle betrachtet, die die Wände schmückten. »Dann sind Sie die Malerin?«, hatte er gefragt. »Wo ist Ihr Atelier?«
    »Ich habe keins. Es ist eher ein …« Sie tastete sich voran in ihrem holprigen Italienisch, das leider nur langsam besser wurde. »Ein Hobby«, brachte sie heraus. »Die meiste Zeit arbeite ich hier.«
    »Was ist das?« Seine Stimme hatte sich verändert. Er betrachtete gerade das Bild mit der dreifachen Spirale und dem verwilderten Wald.
    »Das ist eine keltische Triskele«, sagte sie auf Englisch.
    »Und was wissen Sie von solchen Dingen?«
    Sie war verblüfft ob dieser sehr persönlichen Frage, die darüber hinaus in recht zornigem Ton gestellt worden war. »Ich interessiere mich eben dafür«, entgegnete sie steif. »Es hat mit meiner Familiengeschichte zu tun.«
    Ihm schien klar zu werden, dass er unhöflich gewesen war. »Bitte entschuldigen Sie.« Er deutete eine Verbeugung an. »Auch meine verstorbene Frau war fasziniert davon, und irgendwie … hat dieses Bild alte Erinnerungen aufgewühlt …«
    Aurelias Neugier war geweckt. Sie durfte nicht weiter fragen, da ihn das Thema ganz offensichtlich schmerzte, doch sie hätte gern mehr erfahren.
    »Steht es zum Verkauf?«, erkundigte er sich.
    »Nein.« Dieses Gemälde würde sie ganz gewiss niemals hergeben.
    Er wirkte verletzt. Vielleicht war er nicht daran gewöhnt, dass ihm jemand etwas abschlug.
    »Statt in einem Reisebüro zu arbeiten«, bemerkte er, »sollten Sie lieber hauptberuflich malen.«
    Er war ein ziemlich ungewöhnlicher Mann. Seine anerkennenden Worte hatten Aurelia gerührt. »Ich muss schließlich von irgendetwas leben«, erklärte sie.
    »Hmmm.« Er musterte sie prüfend. »Dann sollten Sie Ihre Arbeiten verkaufen.«
    Touché , dachte sie.
    »Ich wohne nicht weit entfernt«, fügte er nach einer kurzen Pause hinzu, »in der Nähe eines Dorfes, das Ihren Namen trägt.«
    »Wirklich?« Das erklärte in gewisser Weise seine Reaktion auf ihren Namen.
    »Aurelia.«
    Ihr gefiel, wie er das Wort aussprach, mit rollendem r und in singendem Tonfall.
    »Es bedeutet ›golden‹.«
    Golden … Auch das gefiel ihr.
    »Sì …« Er beobachtete sie abwartend. »Es liegt in Ligurien.«
    Ligurien … Sie erinnerte sich, dass Hester von der so anderen Landschaft in Ligurien gesprochen hatte. Ein Blick auf die Karte an der Wand des Reisebüros verriet ihr, dass Ligurien ziemlich groß war und die gesamte italienische Riviera umfasste. Enrico Landucci erschien ihr noch faszinierender als zuvor.
    In den folgenden Wochen und Monaten kam er immer wieder ins Reisebüro – nicht nur, um Reisen zu buchen, wie Ruth Aurelia neckte. Er lud sie ins Café oder zum Abendessen ein oder besuchte mit ihr Ausstellungen, und Aurelia wartete darauf, dass er sie in das Dorf mitnehmen würde, das denselben Namen trug wie

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