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Das Erbe der Vryhh

Das Erbe der Vryhh

Titel: Das Erbe der Vryhh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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sang und rasch weiterzog, bevor sie von Vertretern der Kolonialbehörde verhaftet werden konnte - nun, in diesem Fall standen die Chancen dafür, daß sich die Anhänger des Ajin mit ihr in Verbindung setzten, recht gut. Vielleicht gab er seinen Leuten sogar den Auftrag, sie direkt zu ihm zu bringen.
    Shadith lächelte in der Dunkelheit. Warum nicht? Ich gäbe bestimmt eine gute Propagandakünstlerin ab. Sie schlüpfte aus dem Bett, wobei sie darauf achtete, Linfyar nicht zu wecken, und betrat das Nebenzimmer. Dort schaltete sie das Licht ein, griff nach dem Buch, in dem sie am Abend zuvor gelesen hatte, setzte sich und wartete auf das Morgengrauen. Für jemanden, der daran gewöhnt war, mit vier-oder fünfstündigem Schlaf auszukommen, waren die Nächte Avo-sings wie eine schwere Strafe.
    Shadith machte es sich in einem Sessel bequem, schlug das Buch auf und verlor sich in exotischen Phantasien, erheitert davon, wie der Autor seine Subversion in das Tarngewand der Literatur kleidete. Das Buch hatte die Druckerlaubnis der Kirche erhalten
    - wahrscheinlich war es von einem gleichgültigen oder dummen Zensor für die Publikation freigegeben worden, von einem Beamten, der mit seinen Gedanken bei anderen Dingen gewesen war. Vielleicht handelte es sich bei dem Betreffenden auch um einen Sympathisanten - das hätte Shadith nicht überrascht. Sie entspannte sich und ließ sich von den Worten davontragen. Noch vier Stunden bis Sonnenaufgang. Kein Nachdenken mehr, nur ein geistiges Dahintreiben.
    Früher Morgen auf dem Schmugglermarkt.
    Ein größerer K’shun als die meisten anderen, gelegen im Viertel der Bernsteinsucher, in einem Bereich also, den die Kirchen-soldaten niemals betraten und in den sich selbst die Kirchenspione nur selten vorwagten. Der Pember-K’shun, tief im Innern eines Labyrinths aus sich schmal dahinwindenden Talishi. Man mußte genau wissen, wo sich der Markt befand, um ihn zu finden. Und wenn ein Spion verwegen genug war, sich dort zu zeigen - sie waren alle bekannt; selbst die jüngsten Sucher kannten ihre Gesichter und Namen -, so wurde er von Gruppen aus Männern und Frauen an den Rand des K’shun abgedrängt, fort von den Tischen. Man ging niemals direkt gegen jene Verräter vor, gab sich ganz unschuldig.
    Was jedoch nichts daran änderte, daß der betreffende Spion sich wenige Minuten nach seiner Ankunft nicht mehr auf dem Markt befand. Und wenn er sich als zu beharrlich erwies und zurückzukehren versuchte, so wurde er mit einem raschen Fausthieb außer Gefecht gesetzt und fortgetragen, in einen anderen Teil der Stadt, wo man seine Kleidung für gewöhnlich mit einer übelriechenden Flüssigkeit durchtränkte.
    Shadith ließ Linfyar in der Herberge zurück und machte sich mit Tjepa und seinen Freunden auf den Weg. Sie schritt an den Tischen vorbei, erstaunt von dem umfassenden und vielfältigen Angebot an Dingen, von denen die meisten durch ein Kirchendekret verboten waren. Sie machte sich nicht sonderlich viele Gedanken darüber, ob Tjepa in Schwierigkeiten geraten mochte. Wie die meisten Jungen seines Alters war er ein wenig wild und neigte auch dazu, gedankenlos zu sein, aber er wußte aufgrund einiger schmerzlicher Erfahrungen, daß seine Mutter von allen Einzelheiten erfuhr, wenn er es übertrieb. Über belanglose Streiche sahen die Avosinger großmütig hinweg. Aber es gab eine Linie, die er besser nicht überschritt, eine verschwommene, vage und nicht ganz genau definierte Grenze, über die er manchmal hinausging, ohne es eigentlich zu wollen - sehr zu seinem Kummer. Vor ein paar Tagen, während ihrer morgendlichen Übungen, hatte sich Tjepa als besonders unruhig erwiesen; er rutschte hin und her und kam schließlich mit einer Erklärung heraus. Er berichtete, er habe zwei Jinkas mit den Schwänzen zusammengebunden und in den Hühnerstall des alten Kaus geworfen - ein Grinsen: Du hättest die Federn fliegen und den Lärm hören sollen, laut genug, um einen Weinsäufer nach einer durchzechten Nacht zu wecken. Allerdings gehörten die Jinkas Dihann, und ihr lag viel an ihnen. Sie hielt den Streich für nicht sehr lustig, und der alte Kaus war außer sich. »Meine Mutter … sie versohlte mich, so daß ich kaum mehr sitzen kann, und außerdem muß ich jetzt einen Neuntag lang all die Arbeiten ausführen, die mir der alte Kaus aufträgt. Außerdem bleibt mir nichts anderes übrig, als die Jinkafelle zu kämmen und mich für Dihann um sie zu kümmern.« Tjepa seufzte. »Den ganzen Tag über.

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