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Das Erbe des Greifen

Titel: Das Erbe des Greifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl A. DeWitt
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er?«
    »Dass die Last, die es bedeute, eine Krone zu tragen, eines der größten Opfer sei, die ein Mensch erbringen könne. Denn nur jemand, der entsagt, der fühlt und sieht und weiß, wie schwer die Entscheidungen der Macht wiegen, kann ein guter Führer sein … Er sagte, ein Leben reiche nicht aus, um jemanden darauf vorzubereiten … aber zwei seien vielleicht genug.« Er verbeugte sich tief. »Darf ich nun gehen? Meister Pulver erwartet mich zum Morgengrauen zurück in Alt Lytar.«
    »Ja«, sagte sie, und Marten salutierte. Er drehte sich um und schritt davon. Im Gehen bot er dem Falken auf seiner Schulter den Arm, der Falke hüpfte hinab und Marten warf ihn hoch in die Luft.
    Meliande stand da und sah zu, wie bronzene Federn über Gras und Erde peitschten. Dann bestieg Marten den Falken, der sofort wieder seine Schwingen ausbreitete und sich vom Boden erhob. Staub wirbelte hoch, und die mächtigen Flügelstöße ließen ihre Haare wehen, während der Kriegsfalke mit einem letzten metallischen Schimmer in der Dunkelheit der Nacht verschwand. Für einen langen Moment suchte sie den Himmel nach seinem Umriss ab, dann sah sie ihn kurz, kaum einen Lidschlag lang, als er Mistrals Stern verdeckte.
    Neben ihr räusperte sich Hendriks.
    Meliande drehte sich langsam zu ihm um.
    »Sera, Eure Wangen sind feucht«, teilte er ihr zögernd mit. Sie fuhr sich mit der Hand über die Wangen. »Es ist nichts«, sagte sie dann.
    »Sprach er die Wahrheit, Sera? Seid Ihr die Prinzessin?«, fragte Hendriks vorsichtig.
    »Ja«, seufzte sie. »Aber eine Prinzessin ohne Reich. Meines ist vergangen, die Göttin selbst hat so entschieden! Dies hier ist nicht meine Zeit, Hauptmann, und ich kann nicht die Hoffnung dieser neuen Zeiten sein!«
    »Nein?«, fragte Hendriks und sah sich mit hochgezogener Braue um. »Mir kam es aber durchaus so vor.«
    Er sah zu dem toten Baron hinüber.
    »Der dort wird Euch jedenfalls nicht mehr im Wege stehen.«
    »Und das ist auch gut so, wenn Ihr mich fragt, Hoheit«, bemerkte der breitschultrige Hüne, mit dem sich Hendriks zuvor unterhalten hatte und der nun zu ihnen trat. Er besaß lange rote Haare und einen wilden Bart, und seine stahlgrauen Augen musterten Meliande neugierig, als er sich vor ihr verbeugte. »Er war von Machtgier erfüllt, und unterwarf sich Belior bereits, bevor der es überhaupt verlangte. Schade ist es nicht um ihn.«
    »Darf ich vorstellen«, sagte Hendriks schmunzelnd. »Hauptmann Hugor, von der Kompanie der Roten Eber.« Er grinste breit. »Mir scheint, Ihr seid jetzt ohne Auftrag, alter Freund.«
    »Vielleicht nicht lange«, rief der Hüne lachend mit einem Blick auf Meliande. »Womöglich hat Ihre Hoheit ja Bedarf an richtigen Soldaten, nicht solchen Vogelscheuchen wie den Euren, Hauptmann.«
    Meliande erwiderte das Lachen nicht.
    »Wir werden sehen«, sagte sie knapp. »Erst einmal sollten wir diesen Ort hier verlassen.« Sie wandte sich an Hauptmann Hendriks. »Sucht mir den Bauern, der gehenkt werden sollte. Ich will ihn sprechen. Er muss mir ein paar Dinge erklären.«
     
    »Wenn schon die Hüterin Grand hatte, unruhig zu schlafen, so galt dies für die Freunde und die Bardin erst recht«, fuhr der alte Mann fort. »Bei den Wirmissen in Berendall zerstreute sich die Hoffnung auf einen geruhsamen Schlaf etwa zur gleichen Zeit, als in Mislok der Bauer gehenkt werden sollte … und auch hier zeigte sich die Missachtung gegenüber dem Leben anderer recht unverhohlen …«

 
Nachtwache
     
    Schwere Schritte auf dem Flur und protestierende Stimmen rissen Garret aus dem Schlaf. Er rollte sich aus dem Bett und griff sein Schwert, neben sich sah er Tarlon, der soeben nach seiner Axt griff. Wütende Stimmen und barsche Kommandos waren zu hören, im nächsten Moment zerbrach ein schwerer Tritt den Riegel an der Tür. Das Türblatt flog krachend auf, und zwei königliche Soldaten traten mit gezogener Waffe herein. Einer von ihnen hielt eine Laterne hoch und musterte die beiden Freunde.
    »Versucht es gar nicht erst und lasst die Waffen sinken, Sers«, befahl er. »Wir suchen nicht nach Euch … also macht keinen Unsinn.« Er bedeutete ihnen mit einer Geste, zur Wand zu treten. Garret und Tarlon sahen einander an, dann gehorchten sie, die gesenkten Waffen noch immer in den Händen haltend. Der eine Soldat behielt sie im Auge, während der andere mit der Laterne sich bückte und unter die Betten leuchtete. Anschließend untersuchte er den Schrank an der Wand, und sogar die Truhen am

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