Das Erbe des Loewen
hätte, doch als er mit Rath durch den Wald ritt, sandte er ein Gebet gen Himmel. Laurels Verschwinden verhieß nicht unbedingt, dass die Schurken ihrer habhaft geworden waren. Sie konnte sie gesehen und sich vor ihnen versteckt haben. Die Frage war nur, wo?
Kieran folgte der Spur zurück, die sie vor mehr als einer Stunde gekommen waren. Es schien ihm eine Ewigkeit vergangen zu sein, seit er sich von Laurel getrennt hatte. Und er schien ein anderer zu sein, der nach ihr suchte.
Laurel! Wo bist du? drängte es ihn, laut hinauszuschreien. Doch er unterdrückte den Schrei aus Furcht, Henry oder der schottische Bastard könnten ihn vernehmen. Aus einer Meile wurden zwei, drei. Enttäuschung wuchs mit seiner Angst. Dann plötzlich regte sich etwas in dem Gebüsch zu seiner Rechten.
Kieran zügelte Rath und hob sein Schwert. „Komm heraus. Ich weiß, dass du hier bist.“
Der dichte Stechginster bewegte sich kurz, dann teilte er sich, und der Kopf eines Wolfes erschien. Er passte sich völlig der Dunkelheit an, bis auf die Augen ... schmale Schlitze, die wie Bernstein funkelten.
Rath wieherte aufgeregt, die Nüstern blähten sich, als er sich zurückzog. Kieran brachte ihn mit einem knappen Befehl zur Ruhe. Der Wolf griff weder an, noch zog er sich zurück. Abschätzend, mit vorsichtigem Blick, äugte er Kieran an.
„Wenn du nach einer Mahlzeit suchst, rate ich dir davon ab“, sagte Kieran. „Rath und ich sind beide erfahrene Burschen bei der Wolfsjagd.“
Der Wolf hob den Kopf und gab einen kurzen Laut von sich, dann verschwand er im Dickicht.
„Zur Hölle. Wohin ist er verschwunden?“ Kieran hob das Visier und suchte in der Finsternis nach einem Zeichen ....
Der Wolf tauchte etwa zehn Fuß vor ihnen wieder auf, knurrte fordernd und lief zwischen den Bäumen weiter. Alle paar Schritte wandte er sich um und sah nach Kieran.
Kann das Fredas Wolf sein?
Kieran erinnerte sich daran, wie Dhu die MacLellans zur Höhle geführt hatte. Die Höhle! Natürlich. Laurel musste dort Unterschlupf gesucht haben. Sein Puls begann zu rasen, dann wurde Kieran unsicher. Er dachte daran, dass die Höhle im Westen lag, der Wolf jedoch war auf dem Weg nach Süden.
Kieran folgte ihm trotzdem. Es war ungewohnt für ihn, sich einer Sache anzuvertrauen, die er nicht verstand, doch Laurel hatte ihn gelehrt, dass manche Dinge der Vernunft entbehrten.
Eine Weile ging der Wolf so weiter, dann machte er eine scharfe Wendung nach rechts, folgte einem Wildpfad, der den Kamm des Hügels querte, in ein nebelverhangenes Tal. Dichte Schwaden waberten vor ihnen, und nur die Wipfel der weißstämmigen Birken und der langnadeligen Kiefern waren zu sehen. Der Sturm kam näher. Grelle Blitze und Finsternis wechselten einander ab, begleitet von Donnergrollen. Kierans angespannte Sinne bebten und nährten seine Angst. Jeden Augenblick erwartete er, dass das Licht Laurels Körper offenbarte, der hingestreckt in den Felsen lag.
Plötzlich lief der Wolf den steilen Abhang des Hügels hinab. Seine großen Pfoten lösten nicht einen einzigen Stein aus, trotz seiner offensichtlichen Eile. Im Nu war er vom dichten Nebel verschluckt. Kieran folgte, ohne darauf zu achten, dass ein ganzes Wolfsrudel ihn erwarten könnte. Laurel ist nah. Ich kann es fühlen.
Er fühlte sich in eine andere Welt versetzt. Der Nebel engte seinen Blick ein. Ein Ast schnellte Kieran entgegen und riss ihm beinahe den Kopf weg. Schwer atmend fluchte er, stieg ab und führte den Hengst, eine Hand ausgestreckt, um die nassen Blätter abzuhalten, die ihm immer wieder ins Gesicht schlugen.
„Wo ist der verdammte Wolf?“ sagte Kieran. Er konnte Wasser zu seiner Rechten rauschen hören, den Hengst hinter sich, doch wie sollte er Laurel finden, wenn er blind war wie ...
„Was ...?“ rief er aus, als er gegen etwas Großes und Festes stieß. Laurels Pferd. Es lag am Boden und bewegte sich nicht. Kieran kniete nieder und untersuchte das Tier. Es war tot.
„Laurel?“ flüsterte er. „Laurel, wo bist du?“ Auf Händen und Knien kroch er um das Pferd herum, tastete nach Hinweisen, ängstlich, was er finden würde. Sie kann nicht tot sein. Sie darf nicht tot sein. Ein Schrei entrang sich seiner Kehle und durchdrang die Stille.
Der Wolf tauchte in der Düsternis auf, nahm Kierans Ärmel in sein gewaltiges Gebiss und zerrte daran.
„Gut denn. Führe mich.“ Kieran packte das Tier bei seinem rauen Fell und stolperte hinterdrein. Zehn Schritte weiter fand er sie.
Sie lag mit dem
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