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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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ihr ihre ungeschickten Bemühungen, seine abwesenden Eltern zu vertreten, verziehen. Er war ein robuster kleiner Kerl und selten krank. Seine Augen, die nach der Geburt blau gewesen waren, verdunkelten sich zu einem tiefen Braun, und als er sechs Monate alt wurde, ringelten sich in seinem Nacken die ersten dunklen Löckchen. Mit dem Ablauf der Monate ließen Romys Ängste nach, sie fürchtete nicht mehr, dem Kleinen nicht gerecht werden zu können, brauchte nur noch ein-, zweimal in der Nacht nach ihm zu sehen, anstatt wie anfangs sechs- oder siebenmal. Langsam glaubte sie daran, daß er am Leben bleiben, daß keine Katastrophe sie treffen, daß dieses zarte kleine Geschöpf durchhalten würde, bis Jem wieder auf freiem Fuß war.
    Sie begann, ihn zu lieben. Sein Lächeln und seine bedingungslose Freude an ihr taten ihre wunderbare Wirkung. Nie zuvor hatte ihr jemand solch ungeteilte Liebe entgegengebracht. Als die Zeit verging, erkannte sie, daß Danny zwar rein körperlich eine starke Ähnlichkeit mit Jem hatte, daß er jedoch mit größerer seelischer Widerstandskraft ausgestattet zu sein schien. Ihm lag das Lachen näher als das Weinen. Die Berührung seiner kleinen Finger und der Duft seiner Haut entzückten sie. Sie hätte stundenlang an seinem Bettchen sitzen und ihn im Schlaf betrachten können. Jeder Fortschritt, den er machte, erfüllte sie mit ungeheurem Stolz; sein erster Schritt, sein erstes Wort, seine ersten Kritzeleien mit einem Wachsmalstift. Durch Danny fand sie ihren Optimismus wieder, der durch Jems Inhaftierung und Mrs. Plummers Tod so heftig erschüttert worden war. Danny begann, manche Lücke in ihrem Leben zu füllen.
    Anfang 1958 wurde Jem auf Bewährung entlassen. Das Gefängnis hatte ihn verändert, er war stiller geworden, zurückhaltender. Er fand Arbeit bei einem Kaufhaus, wo er Lieferwagen belud, und mietete sich bei einer sympathischen Frau ein, deren Wohnung nur ein paar Straßen vom Trelawney entfernt war. Er lebte zurückgezogen, sprach niemals von den Monaten im Gefängnis, sprach niemals von Liz und mied seine früheren Freunde. Er wirkte wie ein vom Leben Geschlagener; der Ausdruck seiner Augen, die wie erloschen schienen, brach Romy beinahe das Herz.
    Aber er liebte Danny. Er stieß ihn auf der Kinderschaukel im Park an, buddelte mit ihm im Sandkasten, machte die immer gleichen Spiele mit ihm, die Romy langweilten und die sie nur zu gern dem Kindermädchen überließ. Jems Geduld mit seinem kleinen Sohn war unerschöpflich, und an seinen freien Tagen ging er mit Danny in den Zoo oder an die Themse, um den Schiffen zuzusehen.
    Aber Danny lebte weiter bei Romy im Hotel. »Wenn es dir nichts ausmacht, Romy«, sagte Jem mit gesenktem Kopf, ihren Blick meidend. »Ich hätte ständig Angst, was falsch zu machen, weißt du.«
    Als Danny zwei wurde, ging Jem aus London fort, um auf einem Bauernhof im Norden von Yorkshire zu arbeiten. Er brauche einen Tapetenwechsel, erklärte er Romy, er müsse weg von den alten Gewohnheiten. Er müsse irgendwohin, wo kein Mensch ihn kenne und niemand wisse, was er getan hatte.
    Am Tag vor Jems Abreise waren sie bei Romy im Wohnzimmer, als diese sagte: »Ich könnte Danny an den Wochenenden so oft wie möglich zu dir hinaufbringen, Jem, wenn du das möchtest. Und wenn es bei mir nicht geht, könnte Sarah ihn zu dir bringen.«
    »Du weißt, ich freue mich immer, dich zu sehen.«
    Sie stand mit dem Rücken zu ihm vor dem Spiegel, damit beschäftigt, ihre Ohrringe anzustecken. »Ich meinte eigentlich, damit er sich daran gewöhnt, mit dir zusammenzusein. Für später, wenn er ganz bei dir lebt.«
    »Ach, ich glaube nicht, daß das gut wäre, Romy.«
    Verblüfft drehte sie den Kopf. Einer der Perlenohrringe fiel ihr aus der Hand. »Ich weiß, daß Danny noch sehr klein ist.« Auf der Suche nach der Perle kroch sie auf dem Boden herum. »Aber in ein paar Monaten – in einem Jahr vielleicht –«
    »Bei dir hat er es viel besser.«
    »Im Moment vielleicht. Aber –«
    »Immer. Bei dir wird er es immer besser haben.« Jems Ton war sachlich und entschieden.
    Mit dem Ohrring in der Hand richtete sie sich auf. »Das stimmt nicht, Jem.«
    »Doch. Und das weißt du auch. Es ist besser für ihn, wenn er bei dir bleibt. Natürlich nur, wenn es dir nichts ausmacht.«
    »Nein, natürlich macht es mir nichts aus. Ich finde es wunderbar, ihn bei mir zu haben. Aber so haben wir es doch immer besprochen, daß Danny zu dir zieht, sobald du dein Leben in Ordnung gebracht

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