Das Erbe in den Highlands
unzivilisierten Art -, aber er würde es schon ertragen. Zumindest wäre er am Leben, um es zu ertragen. Wie vorteilhaft, dass er erst vor Kurzem sein ganzes Geld einer Schweizer Bank anvertraut hatte. Zurückzukehren und es aus seiner Matratze zerren zu müssen, wäre äußerst unvorteilhaft gewesen.
Das Rattern des Zuges hätte ihn besänftigen sollen, stattdessen aber schrak er ständig davon zusammen. So hätten seine Füße geklungen, wenn sie gegen die Wand geschlagen hätten, während er eine Handbreit über dem Boden gezappelt hätte, mit Maledicas Fingern an seiner Gurgel. Unbehaglich zupfte er an seinem Hemdkragen. Gott helfe ihm.
Ein paar Stunden später stieg er mit wackeligen Beinen aus. Der Gedanke, den Bus zum Flugplatz zu nehmen, sagte ihm wenig zu. Was er wollte, war ein Taxi, auf dessen Rücksitz er sich fallen lassen konnte. Er stolperte zum Randstein und öffnete die Tür. Gut: das Taxi war leer. Er stand noch nicht so neben sich, dass er seine Vorsicht vergessen hatte.
»Zum Flugplatz«, sagte er und sank in die Polster. »Und geben Sie Gas.«
Die gegenüberliegende Tür öffnete sich, und er schüttelte den Kopf, die Augen immer noch geschlossen. »Ich will keinen Mitfahrer.«
»Wo du hingehst, kleine Ratte, hat nur einer Platz.«
Bryan öffnete den Mund zu einem Schrei, den Maledica mit der Hand abwürgte.
»Eine einsame Gasse sollte es tun«, sagte Maledica zum Taxifahrer und warf ihm eine Handvoll Hundert-Pfund-Noten hin. »Diskretion ist das Schlüsselwort. Wenn Sie warten, bezahle ich Ihnen meine Weiterfahrt zum Flugplatz. Oder hat mein Bediensteter das bereits erledigt? Wie vorteilhaft.«
Bryan schloss die Augen und wusste, dass es zum Beten zu spät war, zu spät, etwas anderes zu tun, als seine letzten paar Augenblicke auf Erden zu genießen und ein wenig um den Löwen zu trauern, der in ihm nie richtig zum Vorschein gekommen war. Vielleicht blieb ihm noch eine Chance hinter dem Himmelstor, das er sicherlich in Kürze durchschreiten würde.
Wirklich schade. Unter anderem hätte er doch gerne auch erlebt, wie Maledica gegen Lord Seakirk antrat, vor allem, nachdem er das Gespenst im Dorf aus dem Auto hatte steigen sehen und erkennen musste, dass de Piaget kein bloßer Geist mehr war.
Das Taxi hielt im Dunkeln an.
Bryan seufzte, als er die Angst wie ein Brüllen in sich aufsteigen spürte.
Und dann schlossen sich Hände um seinen Hals.
Und dann nahm er gar nichts mehr wahr.
32
Genevieve hob den Blick, als Kendrick aus Royce’ Krankenzimmer kam. Er lächelte fast unmerklich, und sie war erleichtert.
»Geht es ihm gut?«
»Aye. ’s war nur eine armselige Wunde. Ich habe viel Schlimmeres überlebt und längst nicht so viel Geschrei gemacht, als ich genäht wurde. Mein Hauptmann ist eine Memme.«
»Das hab ich gehört«, rief eine Stimme aus dem Zimmer.
Kendrick lächelte und zog Genevieve auf die Füße. »Er befürchtet, ich würde ihn vor dem kleinen Weibsbild da hinten beschämen, siehst du sie? Meine Heirat hat ihm wirklich zugesetzt, denn er hat mir gesagt, er hätte sich verliebt und würde sie noch vor dem Frühjahr heiraten.«
»Das ist das Florence-Nightingale-Syndrom«, erklärte Genevieve. »Passiert mit vielen Patienten.«
»Ach ja?« Kendrick streckte sich und machte ein schmerzverzerrtes Gesicht. »Meine Muskeln schmerzen ein wenig von den Anstrengungen des Nachmittags. Meinst du, du könntest heute Abend Krankenschwester für mich spielen?«
»Hängt davon ab, was du mir dafür gibst.«
Kendrick lächelte nur, während sie gemeinsam den Flur entlang gingen, aber Genevieve sah darin nichts anderes als ein Versprechen. Sie legte ihm den Arm um die Taille und drückte ihn an sich, als sie das Gebäude verließen. Wie wenig dazu gehört hätte, ihn zu verlieren, ohne dass sie sich dessen überhaupt bewusste geworden war. Von dem »Priester« hätte sie wirklich als Letztes erwartet, dass er ein Messer aus der Tasche zog.
Sie schloss die Augen und ließ sich auf der Heimfahrt vom Surren des Motors beruhigen. Kendrick wirkte angespannt. Das spürte sie, ohne ihn berühren zu müssen. Sie nahm an, dass er seine Gründe dafür hatte, genau wie sie. Zu wissen, dass Bryan McShane sie entführen wollte, war, gelinde gesagt, zermürbend, vor allem, da er nirgends zu finden war. Sie hoffte, er hätte es sich anders überlegt und das Land verlassen.
Sie schlug die Augen auf, als das Auto über die Zugbrücke fuhr, richtete sich auf und blickte angestrengt aus dem
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