Das Erbstueck
auch bei anderen sehen und mit ihren Fingerspitzen berühren dürfen.
Ab und zu geschahen schöne Dinge, wenn er über ihr lag und wie ein Wal schnaufte. Unerwartete Empfindungen durchströmten sie dort unten, in immer engeren Kreisen. Und sie war so glücklich, dass sie ängstlich auf die Mutter horchte. Denn plötzlich spürte sie in sich seine Formen, seine Umrisse, die Länge, die Hitze. Und sie umschloss ihn mit seltsamen Bewegungen, über die sie selbst keine Kontrolle hatte ... der tät mir Leide, der erste wird der Daumen genannt ...
Danach nahm sie alle Gerüche klarer wahr als zuvor, und wenn sie die Augen schloss, kam sie sich vor wie in den Träumen, in denen sie hoch durch die Luft flog, nur mit den Armen zur Hilfe. Über Häuser und Vieh, über den Aalwagen, über die alte Jebseschenke, über winkende, fuchtelnde Arme, die sie erbarmungslos wieder nach unten holten.
Er arbeitete jetzt rascher. Er wälzte fetten und glühend heißen Fischergeruch ins Kissen, stöhnte leise. Sie verlor unter seinem Gewicht fast das Bewusstsein, wusste aber, dass er bald fertig sein würde. Er atmete ganz oben in der Kehle, in seiner Brust war kein Platz für mehr.
Und jetzt.
Ein langes Zittern durchlief seinen massiven Leib. Er glitt aus ihr heraus wie eine glatte kleine Räucherwurst und ließ sich neben sie sinken. Eine Sekunde darauf war er eingeschlafen. Sie machte sich los. Auf nackten Füßen hatte sie mit zwei Schritten die enge Kammer durchquert und goss Wasser in die Waschschüssel. Sein Schnarchen wurde rasch lauter. Der Mond stand wunderbar voll und malzgelb im Fenster. Der Schweiß des Mannes funkelte wie Glasperlen. Einige lösten sich von seiner Haut und versickerten im Laken. Sie wusch sich gründlich. Auch hinter den Ohren und am Hals, wo er sie immer leckte. Nach dem Waschen blieb sie ganz still stehen. Sie holte einige Male tief Luft und war glücklich. Am nächsten Tag würde etwas Spannendes passieren, etwas anderes. Vielleicht würde Postgehilfe Lars auf dem Bock sitzen, wenn der Postfahrer kam. Sie wollte ihr bestes Zwillichkleid tragen und vielleicht einen Spitzenkragen dazu, wenn die Mutter sich nicht einmischte und sie als Versucherin bezeichnete. Die Mutter mit ihrem riesigen Hängebusen und ihren Viehhüften war sicher nur neidisch.
Er brauchte immer längere Zeit. Malie hatte die Männer über dieses Problem reden hören. Dass es dann aufs Ende zuging. Dass er sich danach nicht mehr dienstbereit aufrichten würde. Und in dieser Nacht hatte er mit der Hand arbeiten und sich alle Mühe geben müssen, um damit aufs Bett zeigen zu können. Wie er immer sagte:
»Siehst du, Malie? Der zeigt auf dich. Er will zu dir, und da muss ich ihm doch gehorchen, meine süße, kleine Köderdeern ...«
Sie schlich sich zur Mutter hinüber. Die Mutter schlief, wurde aber kurz wach, als Malie unter die Steppdecken schlüpfte.
»Alfred?«
»Nein, ich bin’s, Mutter ...«
»Wo ist dein Vater?«
»Der schläft nebenan bei mir.«
»Ach, da ist er also? Gute Nacht.«
D ie Jebseschenke war nicht der richtige Ort, um Menschen zu begegnen, die nicht die richtigen Worte fanden und nicht zum Lachen aufgelegt waren. In der Jebseschenke saßen keine Menschen, die ein eigenes Automobil besaßen, die sich die Hände mit Bimsstein scheuerten oder vor dem Einschlafen Tolstoi lasen.
Die Jebseschenke war eine Tränke, in der die Zapfhähne immer schäumten, in der der Kaffee immer heiß und schwarz war, die Kaffeesahne immer dottergelb, der Schnaps immer stark genug, der Aal immer frisch geräuchert, der Hase immer knusprig gebraten und das Brot fast frisch. Jahre voll Pfeifenrauch und Schweiß und harschen Flüchen hatten die Wände braun und die Sitzbänke glatt werden lassen. Hier kletterte man durch ein Fenster mitten in der Zeit, weit entfernt von persönlichen Sorgen. Hier sammelte man sich um die Probleme, die alle gleichermaßen betrafen. Hierher kamen die Männer, um nach der Arbeit die Rücken auszuruhen, um ihren Ohren eine Pause vom Gezänk der Ollen daheim zu gönnen. Sie kamen, um zu trinken und sich über den Zustand des Landes auszulassen, über Wohl und Wehe ihrer Gesundheit, über die schreckliche Prüderie der Mädchen und über die elende dänische Krone, die so sauer verdient werden musste und die dauernd an Wert verlor.
Amalie Jebsen, die Wirtstochter, war ein selten schönes Mädchen, mit himmelblauen Augen, langen weizengelben Haaren, die zu einem dicken Zopf geflochten wurden, den sie
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